Selenskyj unter Druck: Ex-General erhebt schwere Vorwürfe
Description
Nach dem Rauswurf seines Präsidialamtschefs steht der ukrainische Präsident auch wegen angeblicher Versäumnisse vor dem russischen Überfall in der Kritik – von einem prominenten Ex-Militär.
Der Druck auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nimmt spürbar zu. Erst vor wenigen Tagen musste er seinen langjährigen Vertrauten und Präsidialamtschef Andrij Jermak entlassen – ausgelöst durch einen handfesten Korruptionsskandal im Zentrum der Macht in Kiew.
Doch nun wird der Präsident auch mit Kritik konfrontiert, die weit tiefer reicht als Personalfragen: Ein angesehener Ex-General wirft Selenskyj gravierende Versäumnisse vor – und zwar in der Zeit vor dem russischen Überfall im Februar 2022.
Schwere Vorwürfe aus London
Walerij Saluschnyj, von 2021 bis 2024 oberster Militär der Ukraine und inzwischen Botschafter in Großbritannien, hat sich in einem Gastbeitrag für den britischen “Telegraph” ungewöhnlich offen geäußert. Darin schildert er detailliert, wie Russland seine Streitkräfte systematisch auf den Krieg vorbereitete – während die Ukraine, so seine Darstellung, den Ernst der Lage ignorierte.
“Der Kreml erhöhte Jahr für Jahr das Militärbudget, investierte Ressourcen in den Verteidigungsindustriesektor und kaufte mehr Waffen und Ausrüstung. Währenddessen geschah in der Ukraine das Gegenteil”, schreibt Saluschnyj. Besonders brisant: 2021, also nur wenige Monate vor Kriegsbeginn, sei das ukrainische Verteidigungsbudget sogar gekürzt worden. “Dadurch traf unser Militär die umfassende Invasion im darauffolgenden Jahr mit einem enormen Mangel an allem – von Personal bis zu Waffen”, so der ehemalige Generalstabschef.
Ein heikles Kapitel für Selenskyj
Der unterschwellige Vorwurf an den Präsidenten ist klar: Während Russland aufrüstete, habe Selenskyjs Regierung die Warnsignale ignoriert und versäumt, die Streitkräfte auf den bevorstehenden Angriff vorzubereiten. Zwar wurde diese Debatte bislang wegen des laufenden Krieges weitgehend ausgeklammert. Doch mit dem jüngsten Beitrag des Ex-Generals rückt die Frage nach politischer Verantwortung wieder in den Vordergrund – mitten im andauernden Abwehrkampf gegen Russland.
Beliebter Kritiker mit politischem Potenzial
Saluschnyj ist in der Ukraine nicht nur als Militär hoch angesehen, sondern gilt auch als möglicher politischer Rivale Selenskyjs. Die beiden waren sich schon während des Krieges nicht immer einig – etwa bei der monatelangen Schlacht um Bachmut. Während der General damals für einen geordneten Rückzug plädierte, um hohe Verluste zu vermeiden, wollte Selenskyj das Symbol der Verteidigung nicht preisgeben. Rückblickend unterstützen viele Experten die vorsichtigere Linie Saluschnyjs.
Seine aktuelle Kritik dürfte daher nicht nur militärisch, sondern auch politisch gelesen werden – als kalkulierter Vorstoß eines Mannes, der sich offenbar mehr als nur diplomatische Aufgaben in London vorstellen kann.
Keine Zugeständnisse an Moskau
Trotz aller Kritik an der Regierung Selenskyj warnt Saluschnyj in seinem Beitrag zugleich eindringlich vor voreiligen Friedenslösungen mit Russland. Ein einfacher Gebietsverzicht, so betont er, werde die Aggression nicht beenden. “Selbst wenn Russland die Region Donezk vollständig besetzt – das politische Ziel Moskaus wäre damit nicht erreicht”, schreibt er. Die Strategie des Kremls sei darauf ausgerichtet, die Ukraine auf mehreren Ebenen – militärisch, wirtschaftlich und politisch – zu destabilisieren.
Robuste Sicherheitsgarantien seien daher zwingend notwendig. Nur so könne verhindert werden, dass Moskau seinen Eroberungskrieg in neuer Form fortsetzt.
(VOL.AT)




