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Zwitschern Amseln im Karlsruher Schlossgarten bald antifaschistische Lieder?

Zwitschern Amseln im Karlsruher Schlossgarten bald antifaschistische Lieder?

Update: 2025-09-08
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Wer dieser Tage durch den Karlsruher Schlossgarten streift, wird bei genauem Hinhören einen Baum bemerken, in dem mehr Vögel zu sitzen scheinen als in den anderen. Es zwitschert in Laub und Geäst, als hätte sich dort eine größere Ansammlung an Amseln niedergelassen.
Wenn man diesen Baum allerdings näher betrachtet, erkennt man: Es sind keine echten Vögel, die da im Baum sitzen. Dort hängt eine kleine Anlage: ein Kasten mit Lautsprecher und Solaranlage, und beschallt den Baum und seine Umgebung mit synthetischen Vogelstimmen.
Und wer ganz genau hinhört, der kann aus diesem Gezwitscher sogar ein bekanntes Lied heraushören.

Vögel sollen antifaschistische Lieder singen


Der Medienkünstler Dennis Siering aus Frankfurt hat mit seinem Projekt mit dem Titel „Radical Climate Action Bird“ eine Kunstinstallation geschaffen, die sich mit der Wechselwirkung von Technologie und Natur beschäftigt. Dazu hat er mit Expertinnen und Experten für Vogelkunde, Bioakustik, Sound-Design und Künstliche Intelligenz ausgetauscht.
Gemeinsam mit ihnen hat er antifaschistische Lieder wie „Bella Ciao“ und Protestrufe wie „Alerta, altera, antifascista!“ in synthetische Vogelstimmen übersetzt. Die Vögel sollen das Gezwitscher aufgreifen und nachahmen. Das Ziel: ein subtiler und poetischer Protest, der sich selbstständig macht und ausbreitet.

„Was wäre, wenn wir gemeinsam widerständig werden könnten?“


Dennis Siering beschäftigt sich in seiner künstlerischen Arbeit schon länger mit künstlerischen Protestformen. Inspiriert haben ihn Besuche bei verschiedenen Waldbesetzungen. Bei der Räumung in Lützerat war er dabei, auch bei einer Demo gegen den AfD-Parteitag in Essen.
Außerdem kommt er aus einer Familie, in der Musik schon immer eine große Rolle gespielt hat. Die Initialzündung für das Projekt mit den Vogelstimmen war schließlich ein Zufall:  
„Ich habe tatsächlich einen Radiobeitrag über Amseln im Kieler Stadtpark gehört und wie ein Ornithologe untersucht hatte, dass die angefangen haben, die Alarmanlage von E-Scootern zu imitieren, die widerrechtlich bewegt wurden“, erinnert sich Siering.
Danach habe er sich eine Frage gestellt: „Was wäre denn, wenn wir als Menschen mit nicht-menschlichen Lebensformen in Interaktion treten würden und unsere Stimmen solidarisch vereinen? Und wenn wir so gemeinsam widerständig werden könnten?“

Gefördert durch UNESCO-Kulturprogramm


Für die Kreuzung der Lieder mit den Vogelstimmen ist der Künstler, finanziert durch ein Stipendium, durch ganz Europa gereist und hat mit eigenen Aufnahmen in Singvogel-Hotspots ein eigenes Vogelstimmen-Archiv angelegt. Denn das gab es bisher noch gar nicht.
Daniela Burkhardt, Leiterin der Projektkoordination des UNESCO-Förderprogramms „City of Media Arts“ und Kuratorin der Ausstellung „Media Art Is Here“ am ZKM, hat das Projekt nach Karlsruhe geholt.
Siering habe sich mit seiner Projektidee bei „City of Media Arts“ beworben und eine Förderung erhalten, berichtet Burkhardt: „Das Schöne an medienkünstlerischen Arbeiten ist, dass sie so interdisziplinär an verschiedenen Schnittstellen stattfinden und dadurch ganz viele verschiedene Menschen beteiligt sein können, die sich einbringen.“

Ein unethischer Eingriff in die Natur?


Mit seiner Kunstaktion versucht Siering allerdings auch den natürlichen Gesang der Vögel zu verändern. Darf man Kunst dazu benutzen, aktiv in die Natur einzugreifen?  Siering hat seine Zweifel daran, dass es eine unberührte Natur überhaupt noch gibt.
„Wenn man jetzt zum Beispiel überlegt, wie wir Menschen mit Verkehrslärm in Ökosysteme eingreifen“, so der Klangkünstler, „das zeigt ja gerade, dass unser alltägliches Handeln fortwährend in das eingreift, was wir Natur nennen und wo wir diese Eingriffe eher als Nebenprodukte beziffern.“
Im Gegensatz dazu sei sein Projekt eine bewusste und konstruktive Interaktion mit diversen Spezies.

Kuratorin lobt den Dialog, den das Projekt anstößt


Die Resonanz auf das Projekt ist bisher hauptsächlich positiv, sagt Kuratorin Daniela Burkhardt: „Wir bekommen tatsächlich eine überwältigende Resonanz von Menschen, die hier vorbeikommen und es zufällig mitbekommen. Sie gehen mit uns und mit dem Künstler ins Gespräch. Auch Leute, die sich mit dem Thema auseinandersetzen: vom Umweltamt, von Ornithologen.“
Doch das Kunstprojekt stößt nicht ausschließlich auf positive Stimmen. Eine Passantin kritisiert etwa, dass das Projekt versuche, die Natur zu politisieren.
Wenn die Amsel einen Klang „attraktiv“ findet, ahmt sie ihn nach. Ob unsere hiesigen Amseln nun „Bella Ciao“ als nachahmenswert empfinden, bleibt abzuwarten.
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