DiscoverAlles Geschichte - History von radioWissenDER WESTEN (2/3) - Wie uns die anderen sehen
DER WESTEN (2/3) - Wie uns die anderen sehen

DER WESTEN (2/3) - Wie uns die anderen sehen

Update: 2024-11-152
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Description

Was "ungefähr" der Westen sein soll, ist wenig umstritten. Wer heute in "westlichen Gesellschaften" lebt, hat meist den diffusen Eindruck, irgendwie einer der vielen gängigen Normen zu entsprechen. Genaueres regelt jeder für sich selbst. Doch schon dieser individualistische Ansatz ist typisch für den Westen, beschreibt Jean-Marie Magro in seiner dreiteiligen Überlegung "Der Westen". Und "normal" finden das andere Gesellschaften, die nicht zum Westen gehören, nicht. Vor allem die politische Kultur des Westens reizt in anderen Teilen der Welt zu entschiedenem Widerspruch.


Credits
Autor: Jean-Marie Magro
Regie: Christiane Klenz
Es sprachen: Jean-Marie Magro, Thomas Loible, Jerzy May, Christopher Mann, Florian Schwarz, Benjamin Stedler, Peter Veit und Hemma Michel
Technik: Wolfgang Lösch
Redaktion: Thomas Morawetz und Nicole Ruchlak
Im Interview: Joseph Hendrich, Sadiq Abba, Abubakar Umar Kari, Bertrand Badie, Stephan Lessenich, Thomas Gomart, Heinrich August Winkler, Anne Applebaum, Yasheng Huang



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Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte:



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Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.

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Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:



SPRECHER
Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, das sind, so behaupten viele, historische Errungenschaften des Westens. Gegen diese Werte kann man doch gar nichts haben, denken viele. Aber so einfach ist es nicht. Ich bin Jean-Marie Magro und das ist: Der Westen – Eine Überlegung in drei Teilen. Folge 2: Wie uns die anderen sehen. In vielen Teilen der Welt wird das Auftreten des Westens als anmaßend und belehrend wahrgenommen. Andere gehen sogar so weit zu sagen, die internationale Weltordnung sei von westlichen Staaten allein zu deren Vorteilen errichtet worden und müsse umgebaut werden. 2023 ging ein Zitat um den Erdball, ein Satz der aus Nigeria stammenden Generaldirektorin der Welthandelsorganisation WTO, Ngozi Okonjo-Iweala. Sie sagte auf einer Botschafterkonferenz im Auswärtigen Amt in Berlin: „Wenn wir mit China reden, bekommen wir einen Flughafen. Reden wir mit Deutschland, einen Vortrag.“ Joseph Henrich, Harvard-Professor für biologische Anthropologie und Autor von „Die seltsamsten Menschen der Welt“, kam schon in Folge eins zu Wort. Als ich den Satz zitiere, muss er lachen:


1 Joseph Henrich, Anthropologe und Psychologe, Harvard 10
„Ja, ich glaube, das ist wahr. Und eines der Dinge, die ich in dem Buch versucht habe anzusprechen, ist, obwohl die allgemeinen Menschenrechte für mich einfach zu verstehen und wichtig sind: Es ist nicht so, dass alle von ihnen überzeugt sind.“


SPRECHER
Der Westen dominiert seit Jahrhunderten Weltpolitik und Weltwirtschaft. Und, aus Sicht vieler Staaten im sogenannten Globalen Süden, zulasten der anderen. Selbst viele Jahre nach Kolonialismus und Sklaverei beuten westliche Länder noch immer andere aus – so lautet zumindest der Vorwurf. Besonders deutlich wird dieser in afrikanischen Staaten formuliert. Sadiq Abba ist Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Abuja, der Hauptstadt Nigerias:


2 Sadiq Abba, Professor Internationale Beziehungen Uni Abuja 5
„Wir haben genug. Afrika ist der westlichen Welt überdrüssig.  Es ist sehr wichtig, dass die westliche Welt damit beginnt, offen über ihr bösartiges Verhalten gegenüber Afrika zu sprechen.“


SPRECHER
Sadiq Abba spitzt in seiner Kritik sehr zu: Er sagt, Zitat: Die angeblich universellen Menschenrechte haben keinen Wert, weil für die Europäer ein Menschenleben in Westafrika weniger Wert hat als ein Straßenköter in Paris. Das sind die Doppelstandards des Westens. Zitat Ende. In den vergangenen Jahren habe ich häufig aus Marokko berichtet. Dort ist mir immer wieder der Vorwurf begegnet, dass sich westliche Staaten empört zeigen, wenn Russland in die Ukraine einmarschiert. Wenn aber in Afrika Menschen sterben, interessiere das die Weltgemeinschaft recht wenig. Besonders häufig wird auch der Vergleich zwischen Israel und Palästina gezogen. Hier verweisen Kritiker des Westens auf die Todeszahlen: Egal, ob man denen der Hamas glauben möchte oder nicht, klar ist: Auf palästinensischer Seite sterben viel mehr Menschen als auf israelischer. Trotzdem verurteilen westliche Staaten das Vorgehen der Netanjahu-Regierung zögerlicher als das der Hamas und liefern Israel sogar Waffen. Ein Vorwurf, der sich folgendermaßen zuspitzen lässt: Der Westen misst mit unterschiedlichem Maß. Egal, ob man sich dem Urteil anschließen will oder nicht: Es verdeutlicht, dass in einigen Teilen der Welt der Eindruck vorherrscht: Der Westen fordere andere auf, seine Regeln zu befolgen, halte sich selbst aber nur an diese, wenn sie ihm passen. Abubakar Umar Kari lehrt wie Sadiq Abba ebenfalls an der Universität Abuja. Der Politologe meint mit einem Blick auf die Geschichte:


3 Abubakar Umar Kari, Professor Politikwissenschaften Uni Abuja 5
„Die westlichen Staaten predigen Dinge, die sie nicht ernsthaft glauben. Es gibt so viele Beispiele, z. B. sprechen sie von Demokratie und Freiheit, aber sie haben in der Vergangenheit diktatorische Regime unterstützt und Militärjuntas gefördert. Sie schaffen Monopole, sorgen für Instabilitäten und sie tolerieren Despoten. Das steht im Widerspruch zu ihrem Engagement.“


SPRECHER
Und der Vorwurf wird noch eine Runde weitergedreht: Einer der Hauptkritikpunkte, die sich der Westen immer wieder anhören muss, ist: „Eure Werte sind nicht die unseren: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit – klingt gut, aber diese Werte habt ihr entworfen. Nicht wir.“ Bertrand Badie ist emeritierter Professor an der renommierten Pariser Hochschule Sciences Po. Er sagt:


4 Bertrand Badie 2, emeritierter Professor für int. Beziehungen Sciences Po Paris
„Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948, ein sehr schönes Dokument. Es wurde von einer Kommission ausgearbeitet, in der nur Europäer und Amerikaner vertreten waren, mit zwei kleinen Ausnahmen:“


SPRECHER
Eine Ausnahme, so Badie, war ein Libanese, der aber als Maronit den katholischen Glauben praktizierte. Der andere war ein Chinese, der in den USA studiert hatte. Ein Ähnliches Bild liegt bei den Institutionen vor, die nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen wurden: Die Vereinten Nationen mit fünf ständigen Mitgliedern im Sicherheitsrat, die jeweils ein Veto-Recht besitzen. Drei davon sind westlich, womit eine Machtverteilung entsteht, die weder im Verhältnis zur Bevölkerung noch zur wirtschaftlichen Stärke dieser Länder steht. Als Sonderorganisation der UN wurde auch der Internationale Währungsfonds gegründet, der Ländern in Zahlungsschwierigkeiten helfen soll, aber unter anderem wegen seiner drakonischen Sparforderungen immer wieder in der Kritik steht. Seit 1946 stammen alle seine Präsidentinnen und Präsidenten aus Europa. Ebenso eine Sonderorganisation der UN ist die Weltbank, die Entwicklungsprojekte finanzieren soll: Seit ihrer Gründung hatte nur eine Präsidentin keine US-amerikanische Staatsbürgerschaft, die Bulgarin Kristalina Georgiewa 2019, die nur kommissarisch für kurze Zeit übernahm. In den vergangenen Jahren wurden deshalb die Rufe nach einer neuen Weltordnung immer lauter. Einer Weltordnung, die nicht den Westen bevorteilt, sondern aufstrebende Mächte aus den u

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