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Ex-Militärs: Europa auf gefährlichem Weg

Ex-Militärs: Europa auf gefährlichem Weg

Update: 2025-10-10
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Die Hoffnung, dass es nach dem Treffen der beiden Präsidenten Donald Trump und Wladimir Putin am 16. August Fortschritte durch diplomatische Schritte für ein Ende des Krieges in der Ukraine gibt, haben sich bisher nicht erfüllt. So sieht es der ehemalige Bundeswehr-Generalinspekteur und frühere Vorsitzende des NATO-Militärausschusses Harald Kujat. Er setze aber trotzdem weiter darauf, dass Trump seine Vermittlerrolle weiter ausübt und Putin den Krieg mit einem Friedensvertrag beenden will, wie er im Gespräch erklärte. Die beiden Schweizer ehemaligen Offiziere Jacques Baud und Ralph Bosshard schätzen das ähnlich ein und warnen wie Kujat vor den Folgen der provokativen westlichen Politik gegenüber Russland. Von Tilo Gräser.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Wie ein Rückschritt nach dem Gipfel in Alaska wirkt unter anderem, dass US-Präsident Donald Trump nun der Ukraine die Genehmigung erteilt hat, Langstreckenangriffe gegen Russland durchzuführen. Das hat Trump laut dem US-Sonderbeauftragten für die Ukraine, Keith Kellogg, vor etwa einer Woche erklärt. Am 1. Oktober meldete die Zeitung The Wall Street Journal (WSJ), die USA würden Kiew die Geheimdienstdaten für Angriffe auf Energieinfrastruktur in der Tiefe Russlands übermitteln.

„Das haben sie ja schon lange gemacht“, kommentierte das Harald Kujat, die ukrainischen Angriffe auf das strategische Frühwarnsystem und die strategische Bomberflotte Russlands seien von den USA allerdings nicht gewollt gewesen. Der ehemalige Bundeswehr-Generalinspekteur machte auf die Unterschiede zwischen Geheimdienstinformationen und Daten für Ziele von Langstreckenwaffen aufmerksam. Er hält eine Arbeitsteilung für möglich, was aber Spekulation sei: Die USA würden die Langstreckenwaffen an die Europäer verkaufen, die diese an die Ukraine weitergeben, und liefern dann die Zieldaten dazu.

Auch der frühere Schweizer Geheimdienstmitarbeiter und Oberst Jacques Baud sieht in Kelloggs Aussagen grundsätzlich nichts Neues. Er verwies im Gespräch auf entsprechende Bitten aus Kiew bereits an die US-Administration von Joseph Biden im Jahr 2024. Das sei bewilligt worden, allerdings nur für eine taktische Tiefe von bis zu 50 Kilometer. Das sei etwas anderes als die strategische Tiefe von mehreren hundert Kilometer bis nach Moskau oder Sibirien. Der Kiewer Präsident Wolodymyr Selenskyj habe versucht, die USA zu zwingen, die entsprechenden Waffen wie die ATACMS-Systeme für größere Entfernungen freizugeben. Als damit im November 2024 Ziele in der russischen Stadt Brjansk angegriffen wurden, habe Moskau mit dem Einsatz der neuen Rakete vom Typ „Oreschnik“ gegen ein Rüstungsunternehmen im ukrainischen Dnipro reagiert.

Baud machte darauf aufmerksam, dass Selenskyj wie der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wisse, dass niemand ihn bestrafe, egal, was er tue. Doch nach seiner Kenntnis haben die USA noch keinen Einsatz von Langstreckenwaffen in die operative (300 bis 500 Kilometer) oder strategische Tiefe Russlands an Kiew freigegeben. Würden sie es tun, würden die USA direkt in den Krieg einbezogen. Bisher seien sie wie Deutschland und andere Länder rechtlich gesehen bereits daran beteiligt, wenn auch indirekt, durch Ausbildung, Logistik und Waffenlieferungen, aber noch nicht direkt durch Kampfoperationen. Der Schweizer Militärexperte, der für die UNO und die NATO tätig war, sieht im Gegensatz zur US-Politik das US-Militär „nicht so enthusiastisch“ in Bezug auf eine solche Waffenfreigabe.

Doppelter Gewinn für die USA

Ralph Bosshard, ehemaliger Schweizer Oberstleutnant und Mitarbeiter der OSZE, verwies auf Nachfrage auf die Versuche Kiews seit 2014, „am liebsten die ganze Welt in einen Krieg gegen Russland hineinzuziehen“. Die ukrainische Delegation bei der OSZE in Wien – besonders Botschafter Igor Prokopchuk –, hätte jahrelang krampfhaft versucht, möglichst viele Delegationen für ihre Statements zu gewinnen. Doch von den 193 UN-Mitgliedsstaaten sei nur eine Gruppe, diejenige der EU- und NATO-Mitgliedsländer, dazu bereit.

„Spätestens seit dem Gipfeltreffen von Anchorage wissen wir, dass auch die USA nicht zum Kreis jener Staaten gehören, die an der Seite der Ukraine in einen Krieg gegen Russland eintreten. Von den EU- und NATO-Staaten sind nur wenige dazu bereit, das würden Nachfragen in Lissabon, Athen und Dublin zweifelsfrei zeigen.“

In der Lieferung von Waffen generell und besonders mit Abstandswaffen großer Reichweite sehe die Trump-Administration einen Hebel, um das Geschehen zu beeinflussen. Wenn die Europäer die notwendigen Waffen dann auch noch finanzierten, wäre das ein doppelter Gewinn für die USA.

„Tomahawk“ an Kiew?

Zu den laut Berichten in der US-Führung diskutierten Lieferungen von „Tomahawk“-Marschflugkörpern an die Ukraine sagte Kujat, dass das komplexer sei, als es klinge. Das sei „nicht so, als ob man Munition für ein Gewehr liefere“. Experten meinen, die Ukraine habe nicht die Fähigkeiten, „Tomahawk“ abzufeuern. Zudem seien die US-Bestände an diesen Waffen und ihren Trägersystemen viel zu gering und viel zu wertvoll, als dass das Pentagon einer Abgabe zustimmen würde. Der Ex-Bundeswehr-General stimmte dem zu und verwies darauf, dass die entscheidende Frage dabei sei, wer ein solches Waffensystem einsatzfähig macht und wer die Ziele vorgibt.

„Wenn der erfolgreiche Einsatz eines Waffensystems nur durch die Unterstützung anderer erreicht werden kann, dann ist das eine Kriegsbeteiligung.“

Er habe Zweifel, ob die USA der Ukraine tatsächlich „Tomahawk“-Marschflugkörper liefern werden, erklärte Kujat. Diese würden inzwischen – ursprünglich für landgestützten Einsatz vorgesehen – normalerweise von Zerstörern und U-Booten gestartet, über die die Ukraine nicht verfüge. Von dem erst kürzlich dafür entwickelten bodengestützten Abschusssystem „Typhoon“ existieren demnach bisher nur zwei einsatzbereite Batterien, die dritte solle im nächsten Jahr in Deutschland aufgestellt werden. Die USA seien darauf bedacht, immer einen Mindestbestand für eigene Einsätze zurückzuhalten, erklärte der ehemalige Vorsitzende des NATO-Militärausschusses und fügte hinzu: „Außerdem werden sie sicherlich nicht das Risiko eingehen, dass diese neue, sensible Technologie in russische Hände fällt.“

Baud sieht ebenfalls die Ukraine bisher nicht in der Lage, das komplexe Waffensystem der „Tomahawk“ einzusetzen. Die Vorbereitung dafür würde zudem mehrere Monate dauern. Auch er wies darauf hin, dass das eine direkte Kriegsbeteiligung der USA bedeuten würde.

Bosshard verwies darauf, dass für den Einsatz der Marschflugkörper Geheimdiensterkenntnisse der USA notwendig seien: „Damit legen de facto die US-Amerikaner fest, welche Ziele bekämpft werden und welche nicht.“ Doch aus seiner Sicht möchten sich die USA nicht auf einen Schlagabtausch mit Russland einlassen. In der Praxis würden die USA Russland die Ziele bekanntgeben, welche die Ukrainer mit den Langstreckenwaffen bekämpfen werden und ihnen eine angemessene Reaktionszeit geben. Das sei im vergangenen Sommer im Fall des Iran so gehandhabt worden und habe der Iran so gemacht, wenn er in der Vergangenheit US-amerikanische Stützpunkte im Nahen Osten beschoss.

Enormes russisches Zerstörungspotenzial

Kujat bezweifelt, dass die Marschflugkörper den Krieg für die Ukraine entscheiden könnten. Russland verfüge mit seinem „hochüberlegenem Potenzial an Hyperschallwaffen sowie Kurz- und Mittelstreckenraketen mit unabhängig voneinander steuerbaren Mehrfachgefechtsköpfen über eine unvergleichliche Eskalationsdominanz“. Er warnte vor den Folgen:

„Weder die US-amerikanische noch die ukrainische Regierung sind sich offensichtlich darüber im Klaren, dass ein massiver Einsatz von ‚Tomahawk‘-Marschflugkörpern in Russland veranlassen könnte, dieses enorme Zerstörungspotenzial einzusetzen.“

Auch dazu verwies Baud darauf, dass Selenskyj wie Netanjahu anscheinend einer nihilistischen Kultur folgend keine Grenzen kenne, die ihnen auch niemand aufzeige. Und beide seien „bereit, eine globale Katastrophe zu verursachen, auch wenn sie damit ihre Ziele nicht erreichen können“. Er warnte ebenfalls, dass ein Angriff auf die russische Führung und den Kreml zu einer „sehr massiven“ Antwort führe. Und: Damit würden nach der geänderten russischen Nuklearstrategie die Kriterien für den Einsatz von Atomwaffen erfüllt. Das hätte Konsequenzen für ganz Europa.

Positiv sei zum einen, dass die russische Führung nicht impulsiv oder emotional reagiere und sehr analytisch vorgehe. Zum anderen habe Russland eine ausgezeichnete Luftverteidigung, die es ermögliche, die wichtigsten potenziellen Ziele für ukrainische Angriffe zu schützen und Waffen wie die „Tomahawk“-Marschflugkörper zu zerstören. Allerdings machen Baud die Auswirkungen auf die internationale Situation Sorgen, wie er sagte. Er sei erstaunt, „dass die westlichen politischen Führungen dieses Problem gar nicht erwähnen. Das macht mir ein bisschen Angst, dass unsere Führungskräfte allgemein nichts darüber sagen.“

Er habe den Eindruck, dass die westlichen Politiker sich über diese Situation freuen, „weil sie sehen, dass Russland davon leiden wird“. Baud kommentierte das deutlich:

„Das ist ein bisschen krank irgendwie. Man ist zufrieden, dass die Russen leiden, aber man erwähnt nicht einmal, was die Konsequenzen für uns wären.“

Trump und Vance m

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Redaktion NachDenkSeiten