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Frösche und Frankenstein - Die Geschichte der Galvanotechnik

Frösche und Frankenstein - Die Geschichte der Galvanotechnik

Update: 2025-08-282
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Description

Was hat die Energiewende mit zuckenden Froschschenkeln zu tun? Und warum sind glänzende Schrauben und Duschköpfe etwas ganz Besonderes? Die Technik, die heute verzinkte Schrauben, vergoldete Stecker und verchromte Duschköpfe ermöglicht, nimmt ihren Anfang vor über 250 Jahren. Von Aeneas Rooch


Credits
Autor dieser Folge: Aeneas Rooch
Regie: Irene Schuck
Es sprachen: Berenike Beschle, Stefan Wilkening, Katja Schild
Technik: Lorenz Kersten
Redaktion: Nicole Ruchlack


Im Interview:
Prof. Heinz Schott
Katja Feige, Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
Prof. Friedrich Steinle, TU Berlin
Dr. Marcel Risch, Helmholtz-Zentrum Berlin




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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.


Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:


SPRECHERIN:



Schrauben können rosten. Wenn die Korrosion das Metall auffrisst, fällt schlimmstenfalls alles, was miteinander verschraubt wurde, auseinander. Das kann katastrophale Folgen haben. Um Schrauben vor Rost zu schützen, werden sie daher oft einer hauchdünnen Schutzschicht überzogen, sie werden verzinkt. 


Musik 2


"Amarilli mia belli" - Album: Harp Music of the Italian Renaissance - Ausführender: Andrew Lawrence-King - Komponist: Giuliano Caccini - Länge: 0'10


Diese Technik wäre vielleicht niemals möglich geworden, hätte nicht im 18. Jahrhundert ein italienischer Arzt mit Fröschen experimentiert…


Musik 3


"Stacking Of Different Natures" - Ausführende: The Information - Album: Biomekano - Länge: 1'23


SPRECHERIN:


Bologna, um 1770. Besagter Arzt seziert gerade Frösche. Als sein Assistent mit einem Skalpell einen Froschschenkel berührt, zuckt der tote Schenkel plötzlich. Woher kommt die unheimliche Bewegung? Hat es mit dem mechanischen Apparat direkt daneben zu tun, mit dem man durch Kurbeln Elektrizität erzeugen kann, eine neue und kaum verstandene Kraft? Der Arzt will es wissen.


ZITATOR GALVANI:


„Daraufhin wurde ich von einem unglaublichen Eifer und Begehren entflammt, dasselbe zu erproben und das, was darunter verborgen wäre, ans Licht zu ziehen.“


SPRECHERIN:


Der Arzt experimentiert systematisch. Er hält Metallkabel an die toten Frösche und lässt seine Assistenten zur gleichen Zeit an der Kurbelmaschine elektrische Ladungen erzeugen.


ZITATOR GALVANI:


Ich berührte […] mit der Messerspitze den einen oder den andern


Schenkelnerv und in dem Momente entlockte einer von den Anwesenden einen Funken. Die Erscheinung blieb stets dieselbe. Unfehlbar traten heftige Contractionen in den einzelnen Muskeln der Gelenke in demselben Momente ein, in dem der Funken übersprang, wie wenn das präparirte Thier vom Tetanus befallen wäre.


SPRECHERIN:


Der Arzt zieht den Schluss: Es ist elektrischer Strom, der die Muskelbewegungen auslöst. Der Arzt heißt: Luigi Galvani. Und die Muskelbewegung, die er bei den toten Fröschen durch Strom hervorgerufen hat, wird nach ihm benannt: Galvanismus.


Luigi Galvani ist damals, im 18. Jahrhundert, keineswegs der erste Arzt, der mit Elektrizität experimentiert. Das berichtet der Medizinhistoriker Prof. Heinz Schott. 


O-Ton (Heinz Schott): 


Es gibt da Abbildungen, wo jemand mit einem lahmen Arm oder Bein im Bett liegt und nun der Arzt mit seinen Drähten hantiert. Im Hintergrund wird dann die elektrische Maschine gedreht, also es ist eine ganz ausgeklügelte technische Apparatur da, die dann schon eingesetzt wurde, vor Galvani. 


SPRECHERIN:


Menschen beginnen gerade erst, Elektrizität künstlich zu erzeugen – und nutzen die neue, mysteriöse Kraft sowohl zur Behandlung von Krankheiten als auch zur Belustigung. Sie lachen über Stromschläge, bewundern „Heiligenscheine“ aus Funken und staunen über geisterhafte Muskelzuckungen.


O-Ton (Heinz Schott): 


Das war eine illustre Szene da. Das waren zum Teil auch Schauexperimente, die man gemacht hat in größeren Menschengruppen, wo man also Menschenketten gebildet hat und dann Strom zugeleitet hat und dann plötzlich sind alle umgefallen.


SPRECHERIN:


In dieser Zeit – in den ersten Tagen des elektrischen Zeitalters – entdeckt Luigi Galvani, dass elektrischer Strom tote Froschschenkel zucken lässt. Er glaubt, damit die Antwort auf eine Jahrtausende alte Frage gefunden zu haben.


O-Ton (Heinz Schott): 


[…] Was hält den Menschen überhaupt lebendig? Das war so die klassische Frage. Und nun endlich, dachte jetzt Galvani: Das ist es! Wir haben das sozusagen hier experimentell nachgewiesen […] 


SPRECHERIN:


Galvani vermutet: In jedem Lebewesen steckt eine spezielle Art von elektrischem Strom: die „animalische Elektrizität“.


O-Ton (Heinz Schott): 


[…] unabhängig von Elektrisiermaschinen oder Blitzen gibt es im Organismus selbst eine Elektrizität…


SPRECHERIN:


Sie ist es, glaubt er, die seine Frösche hat zucken lassen, und sie ist es auch, die Mensch und Tier lebendig macht.


Fortsetzung O-Ton (Heinz Schott):


…Und damit hat er im Grunde die Elektrophysiologie des 19. Jahrhunderts vorweggenommen, die ja gezeigt hat, dass die Nervenimpulse und überhaupt unser Nervensystem mit Elektrizität funktioniert, nur durch diese. 


Musik 4


"Jam" - Komponist und Ausführender: Tod Dockstader - Aerial 3 - 


Länge: 0'42


SPRECHERIN:


Die erstaunliche Kraft der Elektrizität inspiriert Menschen zu weiteren Experimenten – nicht nur mit Fröschen, sondern auch mit Leichen, schildert Medizin-Historiker Heinz Schott. 


O-Ton (Heinz Schott): 


Diese französische Revolution mit dieser Terrorphase war der Höhepunkt dieser Experimente mit Leichen. […] . Das war also eine sehr enge Kooperation, man könnte vielleicht auch sagen Schulterschluss, zwischen Forschung und dem Henker. Man hat […] elektrische Drähte angebracht und dann Elektrizität zugeführt und dann eben beobachtet: Welche Muskeln zucken wie? Und das war natürlich eine schauerliche Geschichte. 


SPRECHERIN:


Nach der Französischen Revolution, um 1800, werden Experimente mit Leichen weitgehend eingestellt – aus ethischen Gründen. Die mysteriösen Muskelbewegungen durch Elektrizität, wie sie Galvani bei seinen Fröschen beobachtet hat, verlieren jedoch nichts von ihrer Faszination. Noch ein halbes Jahrhundert lang bieten Mediziner sogenannte „galvanische Therapien“ an.


O-Ton (Heinz Schott): 


Ich kenne eine Abbildung, wo auch in der Augenheilkunde Galvanotherapie eingesetzt wurde. Da hat man dann eine Elektrode, wo man Strom von einer Batterie abzweigte, ans Auge gehalten oder versucht auch Blindheit zu therapieren. Oder auch Taubheit… […] Ich würde sagen, es gab sicher in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts so die Idee, dass man letztlich alles mithilfe von Galvanotherapie irgendwie angehen konnte…


SPRECHERIN:


Ärzte leiten daher Strom in den Körper der Patienten – über Nadeln, Metallplatten, Wasserbäder. 


O-Ton (Heinz Schott):


…Man muss sich klar machen, dass die Medizin, wie wir sie kennen, also […] Biomedizin auf naturwissenschaftlicher Grundlage, ja erst später kam, ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Und vorher: anything goes.


Musik 5:


"Blackhole Dropout" - Ausführender: Tod Dockstader - Album: Electronic - Länge: 0'30


SPRECHERIN:


Der Galvanismus – Muskeln, die durch Elektrizität zucken – inspiriert die Schriftstellerin Mary Shelley schließlich zu einem der berühmtesten Schauerromane der Welt: Frankenstein. 


ZITATORIN MARY SHELLEY:


„Vielleicht würde ein Leichnam wiederbelebt werden; der Galvanismus hatte Anzeichen für solche Dinge gegeben: vielleicht könnten die Bestandteile einer Kreatur hergestellt, zusammengebracht und mit Lebenswärme versehen werden.“


SPRECHERIN:


Lebenskraft durch tierische Elektrizität – mit seiner Idee liegt Galvani falsch. Was seine Frösche hat zucken lassen, findet um 1800 der Physiker Alessandro Volta heraus. 


O-Ton (Katja Feige): 


Er wiederholte die Versuche systematisch, stellte jedoch fest, dass die Froschschenkel nur zucken, wenn die Muskeln gleichzeitig mit zwei unterschiedlichen Metalldrähten berührt werden…


SPRECHERIN:


Das berichtet Ingenieurin Katja Feige. Sie beschäftigt sich

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