Intensiv und nahbar: Nick Cave spielt solo im Festspielhaus Baden-Baden
Update: 2025-09-04
Description
Colin Greenwood ist Bassist bei Radiohead
Auf einem großen Teppich stehen ein Flügel und ein Bass. Colin Greenwood betritt als erster die Bühne. Er wurde als Bassist der Band Radiohead bekannt, einer der innovativsten Rock- und Electrobands der letzten 30 Jahre.
Nick Cave engagierte Greenwood bereits für die Tournee mit den Bad Seeds, nachdem sein Stammbassist erkrankt war. Die beiden Männer ergänzen sich perfekt. Colin Greenwood agiert unscheinbar, lächelt schüchtern, wirkt immer wieder erstaunt über den mächtigen Applaus.
Nick Cave ist der Star des Abends
Auf ihn folgt der Star des Abends. Nick Cave betritt die Bühne und in den nächsten rund zweieinhalb Stunden nimmt er den Raum ein. Cave ist eine schillernde Figur, ein echter Star.
Immer elegant im maßgeschneiderten Anzug und Krawatte gekleidet, die Lackschuhe glänzen genau wie seine schwarzgefärbten Haare. Er fixiert den Zuschauerraum, setzt sich an den Flügel und stimmt die ersten Zeilen von „ Girl in Amber“ an.
Auf der Bühne ein Entertainer
Kaum ist das Lied ist zu Ende, brandet Applaus auf, Nick Cave nimmt Noten- und Textblatt und wirft es mit einer energischen Bewegung hinter sich. Selbst diese Geste hat Entertainment-Charakter und wirkt wie ein Kunstgriff.
Im Konzert mit voller Bandbesetzung wäre Cave nun schon mehrfach an den Bühnenrand getanzt, hätte sich über die ersten Reihen der Fans gebeugt, manchen nur wenige Zentimeter entfernt in die Auge geblickt und die Zeilen auf sie und mit ihnen gesungen.
Außergewöhnliche Nähe zum Publikum
Das Konzept der aktuellen Konzerttour ist ein anderes. Dennoch schafft es Nick Cave auch an seinem Instrument sitzend, eine außergewöhnliche Nähe zum Publikum herzustellen. Zwischen den Liedern steht er auf, winkt in alle Richtungen und bedankt sich.
In der Elbphilharmonie Hamburg hat er erklärt, er habe mit diesem speziellen Programm an die Orte zurückkehren wollen, die ihm in besonderer Erinnerung geblieben seien. Der Auftritt vor fünf Jahren im Baden-Badener Festspielhaus scheint ihm in guter Erinnerung geblieben zu sein.
Andächtige Stille im Zuschauerraum
Mit Band haben die Konzerte von Nick Cave den Charakter eines Gospelkonzertes. Er ist der Prediger und das Publikum die Gemeinde, er singt von Engeln, dem Teufel, dem Glauben, von Liebe und Verlust.
Solo am Klavier mit Unterstützung des Bass-Sounds dominiert eher andächtige Stille den Zuschauerraum, jede einzelne Note und Silbe sind zu verstehen. Nick Cave gestaltet die Tour als musikalische Zeitreise durch mehrere Jahrzehnte.
Momente der Unsicherheit
Dabei führt Cave in viele Songs inhaltlich ein. „Joy“ vom aktuellen Album „Wild God“ habe er geschrieben und sich dann den Rest des Tages frei genommen, so gut sei das Resultat gewesen.
Die Fans lachen über die für Cave typische Mischung aus Ernst und Witz. Dennoch gibt es live auch Momente der Unsicherheit, die man von einem so erfahrenen Künstler nicht unbedingt erwartet.
Mal verspielt er sich oder vergisst den Takt, nachdem er ausufernd erzählt hat. Dann spricht er seinen Mitstreiter Colin Greenwood an und lacht etwas verschämt.
Nick Cave wirkt entwaffnend nahbar
In diesen Momenten wirkt Nick Cave entwaffnend nahbar. Mit Ende 60, nach Jahrzehntelanger Drogensucht und dem Verlust zweier Söhne, mag er vieles in seinem Leben gelernt und verstanden haben.
Auch das thematisiert er. Was sein Werk aber so intensiv und besonders macht: Er bleibt ein Suchender. Die musikalische Intimität der aktuellen Tour macht das besonders deutlich.
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