DiscoverSWR2 Kultur Aktuell„Verborgene Moderne“ – Ausstellung im Leopold Museum Wien zeigt Okkultismus in der Kunst
„Verborgene Moderne“ – Ausstellung im Leopold Museum Wien zeigt Okkultismus in der Kunst

„Verborgene Moderne“ – Ausstellung im Leopold Museum Wien zeigt Okkultismus in der Kunst

Update: 2025-09-03
Share

Description

Gott ist tot, es leben die Geister


Nach dem Tod Gottes, den Friedrich Nietzsche in der ihm eigenen Bombastik proklamiert hatte, ging es rund im europäischen Fin de siecle. Indische Weisheitslehren traten an die Stelle des Dahingegangenen, griechische und germanische Götter wurden reanimiert, theosophische Phantastinnen wie Madame Blavatsky verkündeten die Existenz übersinnlicher Wesenheiten.
Rudolf Steiner bemühte sich um eine Synthese von Wissenschaft und Esoterik und in zahlreichen europäischen Salons wurden um das Jahr 1900 Seancen und Geisterbeschwörungen abgehalten.

Spiritualität der Modernen Kunst


Es waren aber nicht nur Spinner und Obskurantistinnen, die sich in der allgemeinen Gärung der Jahrhundertwende mit okkultistischen Lehren abgaben.
„Künstler wie Oskar Kokoschka und Egon Schiele haben die theosophischen Schriften sehr genau gelesen. Farbtheorien über feinstoffliche Astralleiber sind fast eins zu eins in ihre Werke eingeflossen. Und auch die abstrakte Malerei eines Frantisek Kupka ließe sich ohne ihren spiritistisch-theosophischen Hintergrund gar nicht verstehen“, sagt Matthias Dusini, einer der Kuratoren der Wiener Ausstellung.

 Die Zeiten waren unübersichtlich


In der Zeit um 1900 konkurrierten die unterschiedlichsten Strömungen miteinander: Sozialismus und völkischer Nationalismus, Pazifismus, Feminismus und Imperialismus, Rationalismus und Neoromantik – eine Zeit gewaltiger Unübersichtlichkeit.
Dazu kam die Lebensreformbewegung, die vegetarische Ernährung, Freikörperkultur, Naturheilkunde, freie Liebe und kollektivistische Lebensformen miteinander verbinden wollte. Paradigmatisch für diese Strömung war der symbolistische Maler Karl Wilhelm Diefenbach.

Karl Wilhelm Diefenbach – Ein Guru in Mönchskutte


Der Schöpfer mythisierender Traumtableaus pflegte als rauschebärtiger Guru in Mönchskutte und Sandalen aufzutreten; er gilt bis heute als „Urvater der Alternativbewegungen“. Diesem Karl Wilhelm Diefenbach ist ein Schwerpunkt der Wiener Ausstellung gewidmet.
In der Kommune „Himmelhof“, die der Künstler 1897 in Wien-Ober-St.Veit ins Leben rief, engagierte sich sowohl der Anarchist Gusto Gräser, der später die Aussteigersiedlung „Monte Verita“ in der Schweiz gründete, als auch der Jugendstilmaler Hugo Höppener, genannt „Fidus“, ein rechtsextremer Theosoph, der sich Jahrzehnte später den Nazis andiente.

Esoteriker und Rechtsextremisten unter einem Dach


Diefenbachs Kommune spaltete sich in zwei Richtungen auf: „Man hat auf der einen Seite den Fidus, den Maler, der später arische Tempel entwarf“, so Matthias Dusini. „Und auf der anderen Seite Gusto Gräser, den Hermann Hesse im 'Demian' verewigt hat. Das war der exemplarische Aussteiger, der antibürgerliche Verweigerer schlechthin.“
Zwischen gewaltlosem Anarchismus und völkischer Esoterik – das war die Spannbreite, innerhalb deren sich vom Okkultismus beeinflusste Künstlerinnen und Künstler der Jahrhundertwende positionierten. Die Wiener Ausstellung erinnert an eine Zeit vielfacher Gärungen und gefährlicher Ambivalenzen – eine Zeit, die der unseren gar nicht so unähnlich ist.
Comments 
In Channel
loading
00:00
00:00
x

0.5x

0.8x

1.0x

1.25x

1.5x

2.0x

3.0x

Sleep Timer

Off

End of Episode

5 Minutes

10 Minutes

15 Minutes

30 Minutes

45 Minutes

60 Minutes

120 Minutes

„Verborgene Moderne“ – Ausstellung im Leopold Museum Wien zeigt Okkultismus in der Kunst

„Verborgene Moderne“ – Ausstellung im Leopold Museum Wien zeigt Okkultismus in der Kunst