Studieren ist die Hölle: Rebecca F. Kuangs neuer Fantasy-Roman „Katabasis“
Update: 2025-08-25
Description
„Zauberer sind meistens ältere oder alterslose Gandalfs“, schrieb die Fantasy-Ikone Ursula K. Le Guin einmal in einem Essay. „Aber was waren sie, bevor sie weiße Bärte hatten?“ Da setzt Rebecca F. Kuang an. Ihre Heldin Alice Law ist Magierin in Ausbildung an der Elite-Universität Cambridge. Die Doktorandin der Analytischen Magie steigt in die Unterwelt hinab. Nicht wie bei Orpheus und Eurydike der Liebe wegen, sondern aus akademischem Ehrgeiz.
Denn nur der grimmige und geniale Jacob Grimes kann Alice anspruchsvolle Doktorarbeit betreuen. Leider kam sein Tod dazwischen.
„Katabasis“, so heißt in der Mythologie die Totenfahrt. Und das ist auch der Titel von Rebecca F. Kuangs neuem Roman. Wie es sich für eine Heldenreise nach Fantasy-Literatur-Spielregeln gehört, tritt Alice Law den Ausflug in die Unterwelt in Begleitung an.
Peter Murdoch, zu dem Alice nach einem Vorkommnis ein distanziertes Verhältnis pflegt, war einst ein Freund, nun ist er eher wissenschaftlicher Konkurrent. Der ebenfalls geniale Mitstudent unter Grimes, begleitet Alice auf der Reise via Pentagramm hinab zu den acht Höfen.
Die Höllenkreise sind angefüllt mit Sünderinnen und Sündern, Schatten, wie in der „Göttlichen Komödie“. Kuang stattet ihre Figuren Alice und Peter mit dem notwendigen Wissen gemäß ihren akademischen Laufbahnen aus: Sie diskutieren über antike Mythologie, lesen Proust, Nietzsche, manövrieren sich mit T.S. Eliot und Borges durchs Totenreich.
Dabei nimmt Kuang eine Perspektive ein, die schon Dante prägte: Seine „Göttliche Komödie“ war nach seiner eigenen Logik kein erfundener Traum, sondern ein realer Erfahrungsbericht. Wer das Buch liest, muss es als wahr annehmen. In dieser Tradition schreibt auch Kuang ihre Unterwelt nicht als bloße Metapher, sondern als konkretes Erfahrungsfeld, das sich rational erklären lässt.
Da unterscheidet sich Kuangs Welt deutlich von typischer High Fantasy. Keine klare Dichotomie von Gut und Böse, kein Völkerkrieg. Die erste Hälfte des mehr als 700 Seiten starken Romans ist geprägt von diesem akademisch genauen Weltenbau, mit kurzen Zwischenkapiteln über die Theorie der Magie.
In der zweiten Hälfte entwickelt sich daraus ein typisches Fantasy-Abenteuer voller Quests, Prüfungen und Begegnungen mit Feinden und Verbündeten. Zugleich spiegelt sich in der Hölle die reale Gegenwart: Auch in Kuangs Universum lassen sich Machtmissbrauch und „Me-too“-ähnliche Strukturen nicht einfach wegzaubern.
Kuangs Ideen sind unterhaltsam. Leider hat der Roman sprachliche Schwächen. Ein Beispiel: Ob Alice, Peter oder Totengott Yama, alle sprechen mit dem gleichen Zungenschlag. Etwas verbale Variation hätte den Dialogen gutgetan. Trotzdem: „Katabasis“ ist ein kluges, erfrischendes und unterhaltsames Fantasy-Abenteuer, das die Unterweltliteratur neu interpretiert.
Laissez-faire Lernen wie in Hogwarts? Undenkbar in Kuangs Welt. Kein Wunder also, dass die ewige Strafe der Unterwelt im Erbringen eines Leistungsnachweises besteht. Die Schatten schreiben an ihren Dissertationen.
Und der Aufbau der Hölle? Der erinnert an einen Campus. Studieren kann eben manchmal die Hölle sein.
Am Morgen nach Professor Grimes‘ Tod, nachdem man seine Leiche entdeckt und die Lage sich beruhigt hatte, schien es ihr also wie das Natürlichste der Welt, Wege in die Hölle zu recherchieren.Quelle: Rebecca F. Kuang – Katabasis
Denn nur der grimmige und geniale Jacob Grimes kann Alice anspruchsvolle Doktorarbeit betreuen. Leider kam sein Tod dazwischen.
Heldenreise in die Hölle
„Katabasis“, so heißt in der Mythologie die Totenfahrt. Und das ist auch der Titel von Rebecca F. Kuangs neuem Roman. Wie es sich für eine Heldenreise nach Fantasy-Literatur-Spielregeln gehört, tritt Alice Law den Ausflug in die Unterwelt in Begleitung an.
Peter Murdoch, zu dem Alice nach einem Vorkommnis ein distanziertes Verhältnis pflegt, war einst ein Freund, nun ist er eher wissenschaftlicher Konkurrent. Der ebenfalls geniale Mitstudent unter Grimes, begleitet Alice auf der Reise via Pentagramm hinab zu den acht Höfen.
Die Höllenkreise sind angefüllt mit Sünderinnen und Sündern, Schatten, wie in der „Göttlichen Komödie“. Kuang stattet ihre Figuren Alice und Peter mit dem notwendigen Wissen gemäß ihren akademischen Laufbahnen aus: Sie diskutieren über antike Mythologie, lesen Proust, Nietzsche, manövrieren sich mit T.S. Eliot und Borges durchs Totenreich.
Das Totenreich als konkrete Erfahrung
Dabei nimmt Kuang eine Perspektive ein, die schon Dante prägte: Seine „Göttliche Komödie“ war nach seiner eigenen Logik kein erfundener Traum, sondern ein realer Erfahrungsbericht. Wer das Buch liest, muss es als wahr annehmen. In dieser Tradition schreibt auch Kuang ihre Unterwelt nicht als bloße Metapher, sondern als konkretes Erfahrungsfeld, das sich rational erklären lässt.
Die einzige, Antwort, die ihr einfiel, stammte von Dante, die einzige Möglichkeit der Erlösung im gesamten Inferno. Es gab nur eine Entität, die der Hölle etwas entreißen konnte. „Sie könnten durch einen Akt der göttlichen Gnade gerettet werden.“
„Red keinen Scheiß, Alice.“Quelle: Rebecca F. Kuang – Katabasis
Keine Dichotomie von Gut und Böse
Da unterscheidet sich Kuangs Welt deutlich von typischer High Fantasy. Keine klare Dichotomie von Gut und Böse, kein Völkerkrieg. Die erste Hälfte des mehr als 700 Seiten starken Romans ist geprägt von diesem akademisch genauen Weltenbau, mit kurzen Zwischenkapiteln über die Theorie der Magie.
In der zweiten Hälfte entwickelt sich daraus ein typisches Fantasy-Abenteuer voller Quests, Prüfungen und Begegnungen mit Feinden und Verbündeten. Zugleich spiegelt sich in der Hölle die reale Gegenwart: Auch in Kuangs Universum lassen sich Machtmissbrauch und „Me-too“-ähnliche Strukturen nicht einfach wegzaubern.
Unterhaltung mit sprachlichen Schwächen
Kuangs Ideen sind unterhaltsam. Leider hat der Roman sprachliche Schwächen. Ein Beispiel: Ob Alice, Peter oder Totengott Yama, alle sprechen mit dem gleichen Zungenschlag. Etwas verbale Variation hätte den Dialogen gutgetan. Trotzdem: „Katabasis“ ist ein kluges, erfrischendes und unterhaltsames Fantasy-Abenteuer, das die Unterweltliteratur neu interpretiert.
Laissez-faire Lernen wie in Hogwarts? Undenkbar in Kuangs Welt. Kein Wunder also, dass die ewige Strafe der Unterwelt im Erbringen eines Leistungsnachweises besteht. Die Schatten schreiben an ihren Dissertationen.
Und der Aufbau der Hölle? Der erinnert an einen Campus. Studieren kann eben manchmal die Hölle sein.
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