ACHTUNG BAURISIKO! Das Rätsel der Pyramiden
Description
Ein Besuch von Außerirdischen! Auch das war ein ernst gemeinter Vorschlag, um das Wunder der steinernen Giganten zu deuten. Inzwischen hat die Ägyptologie die Zusammenhänge rekonstruieren können, die den Bau der Pyramiden erklären. Ein Wunder bleiben sie trotzdem. Von Thomas Morawetz (BR 2009)
Credits
Autor: Thomas Morawetz
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprachen: Andreas Neumann, Rahel Comtesse, Christian Schuler
Technik: Marcus Huber
Redaktion: Nicole Ruchlak
Im Interview: Dr. Mélanie Flossmann, Schütze (inzwischen Direktorin & Konservatorin am Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst in München)
Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks 2025
Besonderer Linktipp der Redaktion:
NDR: Philipps Playlist
Mit Musik lässt es sich wunderbar aus dem Alltag herausträumen! NDR Kultur-Moderator Philipp Schmid stellt jede Woche neue handverlesene Playlists zusammen. Von Pop bis Klassik – die Musik ist für ihn ein Anlass, sich gemeinsam mit seinen Hörerinnen und Hörern auf fantasievolle Gedankenreisen zu begeben. Zum Beispiel auf einen Roadtrip, ans Meer oder in den Weltraum. Das Entspannende an diesen Ausflügen: Ihr könnt euch dabei bequem auf der eigenen Couch zurücklehnen, bügeln, kochen, spazieren gehen oder euch im Bett einkuscheln. Der Radiopreisträger Philipp Schmid kennt die richtige Musik für jede Stimmung und für jede Lebenslage. Zu den einzelnen Stücken jeder Folge improvisiert er am Klavier. ZUM PODCAST
Linktipps
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Die Cheops-Pyramide ist die größte und älteste Pyramide von Gizeh. Sie ist eines der sieben Weltwunder der Antike und eines der am besten untersuchten Bauwerke der Welt. Trotzdem birgt sie noch Geheimnisse. Nun präsentieren Forscher erstmals Aufnahmen aus einem dieser Räume. JETZT ANHÖREN
ZDF (2021): Der Nil – Lebensader für die alten Ägypter: Geheimnisse des Pyramidenbaus
Im alten Ägypten sorgt der Nil mit seinen Überschwemmungen für gute Ernten. Er ist auch die wichtigste Wasserstraße, die den Bauboom der Pharaonen überhaupt erst möglich macht. JETZT ANSEHEN
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Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
SPRECHER
Gleich am Wüstenrand beginnt das Wunder, das Weltwunder. Dicht hinter dem Grünstreifen des Niltals im Südwesten vom heutigen Kairo erhebt sich das Plateau von Giseh. Gelbe Steinmassen ragen aus gelbem Sand hervor, gigantische Quadrate, die sich zur Spitze hin verjüngen. In der flachen windigen Gegend haben sie die Größe von Bergen, aber sie sind von Menschen erschaffen – die Pyramiden von Gizeh, Triumphe der Perfektion. Die ägyptischen Könige Cheops, Chefren und Mykerinos haben an diesem Ort drei Ausrufezeichen in die Menschheitsgeschichte gesetzt.
ZITATOR:
„Das sind Bauten, die sogar die Zeit fürchtet, und es fürchtet doch alles in der sichtbaren Welt die Zeit...
SPRECHERIN
…schreibt der arabische Schriftsteller Umara el-Jamani im Mittelalter…
ZITATOR:
… Mein Auge erquickt sich an diesen einzigartigen Bauten, aber meine Gedanken quälen sich mit der Frage, was sie bedeuten sollen!“
SPRECHERIN
Nicht nur el-Jamani hat diese Frage gequält. Denn schon in der Antike war wesentliches Wissen über die Pyramiden verloren. Der erste Gelehrte, der eine Beschreibung des versunkenen Ägypten der Pyramidenzeit versucht, ist der Grieche Herodot [sprich: Herodót]. Als er im 5.Jh.v.Chr. das Land bereist, stehen die großen Pyramiden bereits seit 2000 Jahren. Herodot erfährt Ungeheueres: 100.000 Sklaven soll Cheops für den Bau zur Fronarbeit gepresst haben. Und noch schockierender: Um an Geld zu kommen, habe Cheops die eigene Tochter in ein Bordell gesteckt. Dafür wollte sie dann auch ein Denkmal von sich selbst hinterlassen:
ZITATOR
So hat sie jeden, der sie besucht hat, gebeten, ihr dazu wenigstens einen einzigen Stein zu schenken. Von diesen Steinen, heißt es, sei die Mittlere der drei Pyramiden gebaut, die vor der großen steht.
SPRECHER
Typische Geschichten, wie sie die Pyramiden im Lauf der Zeit inspirieren, Geschichten, die bereits Herodot sammelt und interpretiert. Herodot ist ein Kind seiner Zeit, er erlebt in Athen die erste Demokratie der Geschichte, und Tyrannenhass gehört zum Lebensgefühl. Für Herodot kann ein Werk wie die Pyramiden nur das Ergebnis brutalen Zwangs sein. Er findet in Ägypten genau die Geschichten, die in seinem Weltbild schon angelegt sind.
SPRECHERIN
Und so wird in den nächsten Jahrhunderten weiter gestaunt und spekuliert. Am Ende der Antike hat man sogar vergessen, dass in den Pyramiden einst Könige bestattet wurden. Und überhaupt – wo steht von ihnen eigentlich etwas in der Bibel?
SPRECHER
Sind die Pyramiden also nicht die Kornkammern, die Josef für den Pharao erbauen ließ? Und die unglücklichen Sklaven – waren sie nicht das Volk Israel in ägyptischer Gefangenschaft?
SPRECHERIN
Im späten Mittelalter erzählt der arabische Historiker Al-Makrizi, der Herrscher Saurid habe den Bau der Pyramiden befohlen, weil er von einer bevorstehenden Sintflut geträumt hatte.
ZITATOR
Da befahl Saurid, die Pyramiden zu bauen, … füllte sie an mit Talismanen, Wundern, Schätzen, Götzenbildern, außerdem wurden an die Pyramiden und an ihren Decken, Wänden und Säulen alle Geheimwissenschaften … aufgezeichnet, … und überhaupt ihre sämtlichen Wissenschaften, deutbar für den, der ihre Schrift und ihre Sprache kennt.
SPRECHER
Bis in die Neuzeit denken die Menschen bei den Pyramiden an grausame Despotien, an steinerne Tresore für gewaltige Schätze und verschlüsselte Weisheiten. Als Anfang des 19.Jh. die wissenschaftliche Erkundung der Bauwerke beginnt, wird zwar schnell wieder klar – die Pyramiden sind alte Königsgräber! Aber die Lust an Mutmaßungen bleibt ungebrochen: Sollten sie wirklich nur Gräber gewesen sein?
SPRECHERIN
Oder nicht vielmehr ein monumentales Urmodell der Mathematik und Astronomie? Oder ganz modern: Waren die Pyramiden Windbrecher gegen Wüstensandstürme? Oder – Verdunstungsanlagen? Sie hätten an ihren großen Außenflächen herauf gepumptes Grundwasser verdunstet – und somit das Wetter in der Wüste verändert.
SPRECHER
Nicht zu vergessen natürlich die Pyramiden als Werke außerirdischer Intelligenzen. Alle diese Deutungsversuche sind zwar typisch für die Zeit, aus der sie stammen, aber nicht für die alte ägyptische, in der die Pyramiden erbaut wurden.
MUSIK
SPRECHERIN
Cheops, Chefren, Mykerinos – Vater, Sohn und Enkel – leben um die Mitte des 3. Jahrtausends vor Christus. Sie sind Könige der 4. Dynastie im Alten Reich. Die Geschichte Ägyptens ist also noch relativ jung. Es ist die Kupferzeit, seit etwa 500 Jahren gibt es bereits die Hieroglyphen, aber Aufzeichnungen über den Pyramidenbau existieren aus dieser Zeit nicht. Die Ägyptologen müssen das Rätsel der Pyramiden also anders lösen.
SPRECHER
Am besten nähert man sich ihm zunächst über die Person, die drin liegt – dem König.
SPRECHERIN
Während in Europa noch späte Steinzeit herrscht, hat sich in Ägypten der König bereits ein einzigartiges Machtpotential geschaffen. Er gebietet über einen riesigen Beamtenapparat und kontrolliert alle Ressourcen des Landes. Doch nicht nur das materielle Leben hat er fest im Griff.
SPRECHER
Dem König ist es gelungen, die alten Hoffnungen im Volk auf eine Wiedergeburt im Jenseits in seiner Person zu bündeln. Er ist der, der für sein Land wiedergeboren werden muss. Schon früh betreiben die Ägypter deshalb viel Aufwand, um den Körper des verstorbenen Königs zu mumifizieren und zu erhalten …
Zusp Floßmann (4:02 )
… und natürlich mit dem Aspekt, dass die ägyptische Welt gespiegelt ist im Jenseits, dass oben auch jemand herrschen muss, der das Ganze eben dann überwacht und regiert.
SPRECHERIN
Mélanie-Catherine Floßmann, Ägyptologin am Münchner Institut für Ägyptologie. Und der König wird für sein Volk sogar als Gott neu geboren. Im Jenseits identifiziert er sich mit Re, dem Sonnengott.
Zusp. Floßmann (9:25 )
Das heißt, wir haben zwei Könige parallel. Den verstorbenen König im Jenseits oben als Herrscher des Jenseits und den jetzigen, diesseitigen König, der eben die aktuellen Regierungstätigkeiten auf Erden vollzieht.
SPRECHER
Der neue König garantiert also die Kontinuität der Regierung auf Erden, der tote, göttlich wiedergeborene König garantie