WESTDEUTSCHLAND NACH 1945 - Aufschwung durch den Korea-Krieg
Description
Der erste heiße Konflikt im Kalten Krieg erschütterte die Welt - auch die Bonner Republik. Im Juni 1950 überschritten Soldaten des kommunistischen Machthabers Kim Il-sung den 38. Breitengrad, die Trennlinie zwischen dem sowjetischen und dem amerikanischen Einflussbereich in Korea. Doch der Konflikt sollte Bonn und Westalliierte zu Bündnispartnern verschweißen. Für Westdeutschland begann ein unverhofftes Wirtschaftswachstum. Von Volker Eklkofer und Simon Demmelhuber (BR 2020)
Credits
Autoren: Volker Eklkofer & Simon Demmelhuber
Regie: Martin Trauner
Technik: Helge Schwarz
Es sprachen: Andreas Neumann, Hemma Michel & Peter Veit
Redaktion: Thomas Morawetz
Im Interview: Dr. Thomas Schlemmer
Linktipps
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Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
MUSIK
Erzähler
Sonntag, 25. Juni 1950. In Korea beginnt der Sommermonsun. Es gießt in Strömen. In den frühen Morgenstunden entladen sich heftige Gewitter entlang des 38. Breitengrads. Im Tosen des Sturms nehmen die südkoreanischen Soldaten an der Grenze zu Nordkorea den anschwellenden Geschützdonner ebenso wenig wahr wie ihre amerikanischen Militärberater. Der Angriff des kommunistischen Diktators Kim
Il-sung, eines engen Verbündeten der UdSSR, überrollt den unvorbereiteten Gegner. In Blitzkriegsmanier stoßen Kims Truppen vor, besetzen die Hauptstadt Seoul und kontrollieren bereits im August weite Teile Südkoreas.
Erzählerin
Die Welt ist geschockt, der Kalte Krieg ist plötzlich heiß geworden. Die erst fünf Jahre zuvor gegründeten Vereinten Nationen greifen militärisch ein. Weil bei der entscheidenden Sitzung des Sicherheitsrats der Vertreter der Sowjetunion fehlt, fällt der Beschluss für eine Kampftruppe, die mit Gewalt Frieden schaffen soll. Mehrere Nationen stellen Kontingente, Anfang Juli übernehmen die USA das Kommando.
Erzähler
Während die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten zum Gegenschlag rüsten, flackern in Westdeutschland Kriegsängste auf.
MUSIK
Erzählerin
Nach den aufwühlenden Ereignissen der letzten beiden Jahre – Währungsreform, Berlin-Blockade, Gründung von Bundesrepublik und DDR, erste Bundestagswahl, Regierungsbildung – ist die Sehnsucht nach einer Verschnaufpause groß. Doch mit einem Schlag ist alles anders. Am anderen Ende der Welt tobt Krieg. In einem Land, das wie Deutschland seit 1945 in eine sowjetische und eine amerikanische Einflusszone geteilt ist. In einem Land, in dem die Gegensätze zwischen Ost und West ebenso heftig aufeinanderprallen. Ist das ein Omen? Droht ein deutsches Korea?
Zitator
Der Überfall der nordkoreanischen Kommunisten auf Südkorea und die Kampfhandlungen dort erfüllten die deutsche Bevölkerung mit großer Unruhe.
Erzähler
…schreibt Konrad Adenauer, der erste Kanzler der Bundesrepublik, in seinen „Erinnerungen“. Mit der grassierenden Furcht der Menschen hat sich auch der Historiker Dr. Thomas Schlemmer vom Münchner Institut für Zeitgeschichte beschäftigt.
Zuspielung Schlemmer 1
Man darf sich das nicht so vorstellen, dass die Leute massenhaft auf die Straße gegangen wären, um zu demonstrieren. Die Unruhe spielt sich hauptsächlich im privaten Umfeld ab. Ja, man merkt es zuhause in den Familien. Der Zweite Weltkrieg ist grad‘ fünf Jahre zu Ende, der doch fast in jeder deutschen Familie tote Familienangehörige gefordert hat. Das ist noch sehr präsent gewesen, entsprechend auch die Angst. Und dazu kommt etwas, was man heute auch vergessen hat, und das ist die Realität der deutschen Teilung. Wenn es denn zu einem deutschen Korea gekommen wäre, hätten hier erstmals Deutsche auf Deutsche geschossen - und das zu einer Zeit, wo die deutsche Teilung ja auch erst seit einem Jahr harte Realität war.
ATMO Aufgeregtes Gemurmel
MUSIK
Erzählerin
Im Bundeskanzleramt herrscht Nervosität. Augenzeugen berichten von der panischen Angst Adenauers in den Tagen nach dem Kriegsausbruch. Was, wenn die DDR mit dem Segen Moskaus die junge Republik angreift? Die Gefahr scheint Adenauer durchaus real. Der Kanzler weiß, dass Ostdeutschland seit 1948 eine paramilitärische Truppe aufstellt. Die kasernierte Volkspolizei zählt mittlerweile 60.000 Mann unter Waffen. Ihr stehen in Westdeutschland nur schwache Polizeikräfte gegenüber, die zudem auf Länderebene organisiert sind. Diese Ordnungshüter, bemerkt Adenauer sarkastisch, wären nicht einmal in der Lage, demonstrierenden Kommunisten die Plakate abzunehmen.
Erzähler
Erst als im Juli 1950 klar wird, dass die USA tatsächlich bereit sind, Südkorea mit einem massiven Militäreinsatz zu verteidigen, legen sich die ärgsten Befürchtungen in Bonn. Und der Politfuchs Adenauer erkennt die Chancen, die sich im Windschatten des Koreakriegs für seinen halbsouveränen Staat bieten.
Erzählerin
Die Bundesrepublik ist nach wie vor ein besetztes Land. Neben dem Grundgesetz gilt ein Besatzungsstatut, das den Westmächten, vertreten durch einen amerikanischen, englischen und französischen Hochkommissar, Kontrollrechte einräumt.
Erzähler
Adenauer fürchtet Stalin und die Sowjetunion. Für ihn liegt das Heil im Westen, hier möchte er eine souveräne Bundesrepublik als gleichberechtigten Partner fest verankert sehen. Um diesem Ziel näherzukommen, will er Westdeutschland fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wiederbewaffnen. Durch einen eigenen Verteidigungsbeitrag soll die Bundesrepublik Vertrauen schaffen, sich aus der Pariarolle des Kriegsverlierers befreien und zum Verbündeten der westlichen Welt aufsteigen.
Erzählerin
Ein riskantes Vorhaben. Denn die Menschen in Ländern wie Großbritannien, Frankreich oder Italien haben den totalen Krieg des Dritten Reichs und die Verbrechen von Wehrmacht und SS längst nicht vergessen.
Erzähler
Aber Adenauer macht Druck. Mitte August 1950 fordert er in der „New York Times“ eine „starke deutsche Verteidigungsmacht“. Rückendeckung bekommt er unter anderem von Englands Kriegspremier Winston Churchill, der auf die Schaffung einer Europaarmee drängt. In den USA findet der Kanzler vor allem im Pentagon viel Zustimmung. Auch bislang unerbittliche französische Regierungsmitglieder äußern angesichts des Koreakriegs Verständnis. Sogar der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher lässt sich im September zu einer Erklärung hinreißen:
Zitator
Wir sind bereit, wieder Waffen zu tragen, wenn die westlichen Alliierten mit uns das gleiche Risiko und die gleiche Chance der Abwehr eines sowjetischen Angriffs übernehmen und sich mit größtmöglicher Macht an der Elbe etablieren.
Erzählerin
Damit ist Adenauer ein echter Coup geglückt. Von nun an steht die Frage der deutschen Wiederbewaffnung auf der Tagesordnung aller internationalen Treffen. Noch im September 1950 stimmen die Westalliierten der Bildung einer 30.000 Mann starken Polizeitruppe zu. So entsteht der halbmilitärische Bundesgrenzschutz, aus dem später die Bundespolizei hervorgeht. Das Projekt Europaarmee scheitert zwar am Widerstand der französischen Nationalversammlung, doch das schadet der westdeutschen Integration keineswegs. Für westliche Sicherheitsinteressen wird die Bundesrepublik bald unverzichtbar. Während sich der Kalte Krieg verschärft, wächst sie immer stärker in die westliche Welt hinein und wird zum Verbündeten aufgewertet.
MUSIK
ATMO Kriegslärm & Schreie
Erzähler
Zurück nach Korea. Hier rollt seit September 1950 die Gegenoffensive der UNO-Truppen. Das Kommando hat der legendäre amerikanische Fünf-Sterne-General Douglas McArthur, ein egozentrischer Militär mit Hang zu goldbetressten Mützen. Beide Seiten fü