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WIE MENSCHEN FRÜHER REISTEN - Unterwegs sein im Mittelalter

WIE MENSCHEN FRÜHER REISTEN - Unterwegs sein im Mittelalter

Update: 2025-08-221
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Ob Pilger, Kreuzritter oder Handelsreisende: Die Menschen im Mittelalter waren - anders als landläufig bekannt - sehr mobil. Sich seinerzeit auf den Weg zu machen war indes meist kaum bequem - und nicht selten ein lebensgefährliches Unterfangen. Von Lukas Grasberger

Credits
Autor: Lukas Grasberger
Regie: Martin Trauner
Es sprachen: Susanne Schroeder, Jerzy, May, Peter Weiß
Redaktion: Nicole Ruchlak  
Im Interview: Prof. Rainer Leng, Florian Wagner, Prof. Anthony Bale

Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks 2025

Besonderer Linktipp der Redaktion:

SWR (2025): Der römische Traum – Eine Anno-Story

Ein packender Hörspiel-Podcast im Anno-Universum: Zwei junge Männer verkaufen sich selbst in die Sklaverei – im Glauben, dass sie im Römischen Reich aufsteigen können. Was als verzweifelter Traum beginnt, wird zur abenteuerlichen Odyssee durch Kolonien, Intrigen und Machtzentren eines Imperiums. "Der römische Traum" erzählt die offizielle Vorgeschichte zu "Anno 117: Pax Romana" – als epische Audio-Serie mit deutschen Top-SchauspielerInnen, exklusivem Soundtrack von den Anno-Komponisten und live aufgenommen vom SWR-Symphonieorchester. ZUM PODCAST

Linktipps

BR (2007): Kalenderblatt 29.08.1887

Die ersten bayerischen Pilger reisen organisiert nach Santiago de Compostela: Im Mittelalter sind Hunderttausende von Menschen quer durch Europa bis nach Santiago de Compostela gepilgert - an das Grab des Heiligen Jakobus. Ein besonderer Jakobs-Pilger in der Neuzeit war der Münchner Prälat Monsignore Hermann Geiger. Er brach als erster mit einer bayerischen Reisegruppe nach Santiago auf; und erschloss den Jakobsweg so für Pilgerströme aus Bayern. JETZT ANHÖREN

BR (2024): Marco Polo – Der Abenteurer und sein Mythos  

Sagenhafte Reichtümer, weise Herrscher, seltsame Bräuche. Marco Polos Bericht von seiner Asienreise macht ihn zum bis heute berühmten Abenteurer. Doch was davon ist wahr, und wer war der Mann hinter dem Mythos? Autor: Niklas Nau (BR 2018)
JETZT ANHÖREN

Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte:


DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend.

Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN

Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.

Alles Geschichte gibt es auch in der ARD Audiothek:
ARD Audiothek | Alles Geschichte
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Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

ATMO STURM & PFERD


SPRECHERIN
Ein kalter, dunkler Januartag im Jahr 1484. Der Regen peitscht der einsamen Gestalt ins Gesicht, die sich zu Pferd der freien Reichsstadt Ulm nähert.


ZITATOR
„Nie auf meiner ganzen Reise geriet ich so außer mir wie hier, denn Nässe macht den Menschen von Natur aus trist und völlig unordentlich“


SPRECHERIN
...so wird sich der Mönch Felix Fabri an die letzte Etappe, die Rückkehr von seiner Pilgerreise nach Jerusalem erinnern. Doch dann, als die Häuser Ulms am Horizont auftauchen, hellt sich Felix Fabris Stimmung auf. Als er sich endlich dem heimatlichen Kloster nähert, weicht letzte Beklommenheit purer Willkommensfreude. Der Ankömmling wird überschwänglich empfangen, Felix Fabris Prior begrüßt ihn...


ZITATOR
„…ohne auf seine Würde und sein hohes Alter zu achten, und rannte wie ein Jüngling, als wolle er ein Feuer löschen.“


SPRECHERIN
Denn seine Ordensbrüder hatten Felix Fabri eigentlich für tot gehalten. Fabris Briefe aus dem Heiligen Land - sie waren nie angekommen.


SPRECHERIN
Eine Szene, die die Gefahren und Unwägbarkeiten einer typischen Reise im Mittelalter lebendig werden lässt – einer Pilgerreise. Felix Fabri war seinerzeit einer von Vielen: In Massen strömten die Menschen damals gen Jerusalem, Rom oder Santiago de Compostela. Doch nicht nur Geistliche oder Adelige gingen auf religiös motivierte Reise. Dies taten im Mittelalter auch einfache Stadt-Bürger oder Bauern – wenn deren Ziel auch nur der nächstgelegene Wallfahrtsort gewesen sein mag, wo man für die Linderung körperlicher Leiden betete oder – in einem Ablass - um die Vergebung von Sünden. Die Vorstellung jedenfalls, dass die Gesellschaft im Mittelalter statisch war, dass kaum einer je sein Dorf oder seine Stadt verließ – diese Vorstellung sei grundfalsch, sagt der Historiker Rainer Leng.


O-Ton 1 Leng
Also auch der einfache Bauer, von dem man früher immer dachte, der kommt nie über sein Dorf hinaus, war regelmäßig unterwegs. Die Forschung spricht hier von einer hohen horizontalen Mobilität, was letztlich bedeutet, dass auch die einfachen Leute gereist sind. Regelmäßig die Verwandtenbesuche oder auch der Bauer auf einem kleinen Dorf reiste natürlich regelmäßig auf die Märkte in den nächsten größeren Städten, um seine Waren zu verkaufen oder um Geräte einzukaufen, die der Dorfschmied nicht machen konnte. Und das übliche: Verwandtschaften, religiöse Reisen….“


SPRECHERIN
Vor allem der Adel war im Mittelalter viel auf Achse: Rainer Leng, der an der Uni Würzburg zum Thema Mittelalterliche Geschichte lehrt und forscht, spricht von „Reisekönigtum“ und „Herrschaft aus dem Sattel“. Denn im Mittelalter hatten Kaiser und Könige keinen festen Herrschaftssitz. Sie waren dauernd im Reich unterwegs. Auch Fürsten pendelten zwischen ihren jeweiligen Teilresidenzen. Oft schickten die Fürsten und Könige ihre Vertreter, um mit anderen Herrschern zu verhandeln. Diplomaten, Gesandte und Adelige reisten, um politische Allianzen zu schmieden oder Verträge zu unterzeichnen. Die professionellen Briefboten – sie waren wohl am meisten unterwegs, damals, im Mittelalter. Bis zu 80 Kilometer legten sie pro Tag zu Fuß zurück, um Nachrichten zu überbringen. Schließlich zogen per Pferd viele Ritter und Soldaten umher: Zu verschiedenen Schlachtfeldern innerhalb Europas - oder zu Kreuzzügen, etwa ins Heilige Land.


O-Ton 2 Leng
Das mittelhochdeutsche Wort für Krieg ist Reise. Also ursprünglich kommt unser Wort Reisen von unterwegs sein, um Krieg zu führen.


SPRECHERIN
...sagt Rainer Leng.


O-Ton 3 Leng
Wenn wir beim Reiseanlass „Krieg“ sind, man hat im Mittelalter den Krieg im Winter eigentlich immer zu vermeiden versucht. Und nur im Sommer Krieg geführt. Selbst früher war es gefährlich, wenn man mit einer ganzen Armee hochgerüsteter Fußkämpfer und Pferde in ein Regenwetter kam und alles im Matsch stecken blieb. (…) Das Wetter konnte insbesondere bei Alpenüberquerungen hochgefährlich werden. Und es konnte Reisen auch prinzipiell verhindern.


O-Ton 4 Wagner
Weil da ging es ja um Leben und Tod, und die Ausbildung des Pferdes für Ritter war höchst aufwendig und es war ein absoluter Luxus, es war im Prinzip der Ferrari des Mittelalters. Also die Ausbildung hat zwölf Jahre lang gedauert. 


SPRECHERIN
...weiß der Münchner Fotograf Florian Wagner. Er hat sich wie die alten Ritter auf den Weg gemacht, ist mit Pferden und Zelten durchs österreichische Mühlviertel gezogen.


O-Ton 5 Wagner
Was wichtig ist, ist erst einmal, wenn ich jetzt diese Strecken mache: Es kann ja mal passieren, dass du dein Ziel nicht erreichst. Dann brauchst du eine Möglichkeit, dein Pferd so anzubinden, dass es am nächsten Tag noch da ist, als Erstes. (...) Das zweite Thema ist, der Mensch will ja auch versorgt sein. Entweder du nimmst Proviant mit, dazu gab es entweder Wagen oder Packpferde. Es waren genügsame Pferde, es waren stabile Pferde, die viel kleiner waren, als man das glaubt. Und es gab auch ein Gesetz, dass ein Ritter, wenn er vorbei reitet an deinem Land, dann darf er so viel Nahrung für sein Pferd mitnehmen, wie er braucht und tragen kann für ein Pferd. Das heißt, das Thema war erledigt, aber wenn der Ritter selber und seine Gefolge, der hatte ja auch Knappen und so weiter, wenn die nichts zu essen hatten, dann durften sie jagen.


SPRECHERIN
Leicht war das Gepäck damit keineswegs.


O-Ton 6 Wagner
Du musst ja auch die Waffen mitführen, du musst ja auch die Ausrüstung mitführen, du musst ja auch eventuell ein Zelt mitführen, du musst ja auch Feuer machen können.


SPRECHERIN
Die Zelte der Reisenden des niederen oder hohen Adels waren meist aus strapazierfähigem Leinen, das man mit Wachs oder Leinöl gegen Wind und Wetter imprägnierte. Die Zelte der einfachen Ritter oder Soldaten waren mit Stroh, die der Fürsten und Könige jedoch mit Teppichen ausgelegt: Mobile Paläste, die innen zudem mit kostbaren Stoffen ausgeschlagen waren. Luxusherbergen auf Zeit, die zuweilen gar mit transportablen Kaminen geheizt wurden. Der Adel musste im Mittelalter auch unterwegs kaum auf eine Annehmlichkeit verzichten, sagt Anthony Bale, Autor des Buchs „Reisen im Mittelalter: Unterwegs mit Pilgern, Rittern, Abenteurern.“ 


O-Ton 7 Bale
Sprecher OV
„Ich beginne mein Buch mit zwei sehr wohlhabenden Reisenden: Lady Lutrell und Henry von Derby, der spätere König von England Henry IV. Dieser reiste nach Preußen, dann

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Lukas Grasberger