Karnivoren - Wie Pflanzen zu Fleischfressern wurden
Description
Für Charles Darwin waren sie die "schönsten Pflanzen der Welt": Pflanzen, die mit raffinierten Fallen Insekten fangen. Karnivoren haben ihre ökologische Nische in nährstoffarmen Umgebungen gefunden.
CREDITS:
Autor: Julius Bretzel
Regie: Irene Schuck
Sprecher:innen: Christian Baumann, Peter Veit
Redaktion: Katharina Hübel
Im Interview:
Christine BERNHAUSER (Fachgärtnerin im Botanischer Garten München-Nymphenburg)
Ines KREUZER (Biologin am Lehrstuhl für molekulare Pflanzenphysiologie und Biophysik der Uni Würzburg)
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Weiterführende Links:
Botanischer Garten München-Nymphenburg
Biozentrum der Universität Würzburg
https://www.biozentrum.uni-wuerzburg.de
Unsere Podcast-Tipps:
Können Pflanzen fühlen und denken? Je detaillierter Pflanzen untersucht werden, desto mehr Hinweise gibt es auf Intelligenz und Sensibilität. Pflanzen kommunizieren untereinander und rufen bei einem Angriff sogar „um Hilfe“. Das hört ihr hier bei Radiowissen:
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https://www.ardaudiothek.de/episode/urn:ard:episode:43481b1d2e9851b4/
Literatur-Tipps:
- Thomas Carow: „Karnivoren. Die Welt der fleischfressenden Pflanzen“ – gibt einen guten Überblick über Vielfalt der karnivoren Arten und ihrer Lebensweisen, veranschaulicht mit sensationellen Bildern.
- Wilhelm Barthlott et al.: „Karnivoren - Biologie und Kultur Fleischfressender Pflanzen“ – neben der Beschreibung zahlreicher Arten sind auch Aufzucht und Pflege der Pflanzen Thema des Buches
- Charles Darwin: „Insectivorous plants“ (1875) - Darwins wegweisende Untersuchungen zu Karnivoren sind als Digitalisat frei im Internet lesbar: https://darwin-online.org.uk/content/frameset?itemID=F1217&viewtype=side&pageseq=1
- Rainer Hedrich et al.: „On the Origin of Carnivory: Molecular Physiology and Evolution of Plants on an Animal Diet“ (2021) – Dieses Paper aus dem Forscherteam der Universität Würzburg gibt einen detaillierten Einblick in die Evolutionsbiologie von Karnivoren: https://www.annualreviews.org/content/journals/10.1146/annurev-arplant-080620-010429
Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
SPRECHER:
Durch Lüftungsgitter dringen Insekten ins Innere des Glaspavillons. Ob sie wieder herauskommen, ist fraglich. Denn das Gewächshaus im Botanischen Garten in München ist eines von mehreren, die mit einer Fülle an fleischfressenden Pflanzen, sogenannten Karnivoren, bepflanzt sind.
OT 01 BERNHAUSER Drosera Südafrika
Hier finden wir die Drosera, die ist eigentlich eine der größten Gruppen der Karnivoren. Und hier sehen wir einige Drosera, also Sonnentau, aus Südafrika.
SPRECHER:
Unterschiedlich große Pflanzen mit roten, glänzenden Blättern wachsen im Gewächshaus. Hausherrin über die Karnivorenhäuser ist Christine Bernhauser. Seit 15 Jahren kümmert sich die Gärtnerin im Botanischen Garten München-Nymphenburg um die fleischfressenden Pflanzen. Und die sind im Sommer ein wahrer Publikumsmagnet.
OT 03 BERNHAUSER zwei Fragen
Also zum einen werde ich ganz, ganz oft gefragt, muss man die füttern? Da kann ich immer sagen, nee, die kümmern sich da selber, zum Glück, weil wenn ich das auch noch machen müsste, dann wäre ich ziemlich beschäftigt. Und das andere eben: Ist es gefährlich, wenn ich dahin lang, wird mir da der Finger abgebissen oder so? Und das passiert natürlich nicht.
SPRECHER:
Im Botanischen Garten in München leben Karnivoren aus aller Welt, auf ihrem Speiseplan stehen: Insekten. Christine Bernhauser hat sie in den gläsernen Pavillons nach Herkunftsländern geordnet. In Form, Farbe und Fallentyp unterscheiden sich die fleischfressenden Pflanzen je nach Art stark. Manche wachsen als Schläuche wie U-Boot-Periskope nach oben, andere locken die Beute mit kleinen klebrigen Blättern in Bodennähe.
OT 04 Bernhauser drüben Dionaea
Und hier drüben haben wir die berühmteste fleischfressende Pflanze, die Dionaea muscipula. Das ist die Venusfliegenfalle, die schon so mancher in der Kindheit mit mehr oder weniger Erfolg kultiviert hat.
Musik 2
"Massive Particles" - Komponist und Ausführender: Thomas Strønen - Album: Pohlitz Länge: 0'52
SPRECHER:
Die Blätter der Venusfliegenfalle ähneln einem zahnbesetzten Kiefer. Sie sind zu tiefroten Klappfallen entwickelt, die mit Nektar Insekten anlocken und in Bruchteilen einer Sekunde zuklappen können, um die gefangene Beute anschließend zu verdauen. Ihr ursprünglicher, natürlicher Lebensraum beschränkt sich auf ein relativ kleines Gebiet im Osten der USA. Gleichermaßen warm, feucht und gemäßigt muss es sein, der Boden soll sauer sein und darf nur wenige Nährstoffe haben. Bedingungen, die an den Küsten und auf den Sandhügeln von North und South Carolina herrschen, in Mooren und Sümpfen.
ZITATOR (DARWIN):
Diese Pflanze, die wegen der Schnelligkeit und Kraft ihrer Bewegungen allgemein Venusfliegenfalle genannt wird, ist eine der wunderbarsten der Welt.
SPRECHER:
schreibt der berühmte britische Naturforscher und Evolutionstheoretiker Charles Darwin in seinem Buch „Insectivorous Plants“ von 1875. Knapp hundert Jahre zuvor war die Venusfliegenfalle erst von einem Londoner Kaffeehändler und Hobby-Naturforscher entdeckt worden. Seine Berichte über fleischfressende Pflanzen waren ungläubig von der damaligen Wissenschaftswelt abgetan worden. Doch Darwin war fasziniert – und auf der Suche nach weiteren Belegen für seine ebenfalls heiß diskutierte Evolutionstheorie. Die Karnivoren könnten ihm dabei helfen, hatte er angenommen. Sensibilisiert für diese sonderbaren Gewächse, fand Darwins erste persönliche Begegnung mit einer fleischfressenden Pflanze direkt vor seiner Haustür statt.
Musik 3
"Massive Particles" - Komponist und Ausführender: Thomas Strønen - Album: Pohlitz - 0'21
ZITATOR (DARWIN):
Im Sommer 1860 war ich überrascht, wie viele Insekten sich an den Blättern des Gemeinen Sonnentaus in einer Heide in Sussex verfangen hatten. Ich hatte gehört, dass Insekten auf diese Weise gefangen werden, wusste aber nichts weiter darüber.
SPRECHER:
Nach seiner Begegnung mit Drosera (Betonung erste Silbe) rotundifolia beschrieb und untersuchte Darwin die Pflanzen und ihre charakteristischen Klebfallen genauer. Darwin ist damit ein Pionier der Karnivorenforschung:
Musik 4
"Massive Particles" - Komponist und Ausführender: Thomas Strønen - Album: Pohlitz - Länge:
ZITATOR (DARWIN):
Die gesamte Oberseite ist mit drüsentragenden Fäden oder Tentakeln, wie ich sie aufgrund ihrer Wirkungsweise nennen werde, bedeckt. (…) Die Drüsen sind jeweils von großen Tropfen eines äußerst zähflüssigen Sekrets umgeben, die in der Sonne glitzern und der Pflanze den poetischen Namen „Sonnentau“ eingebracht haben.
SPRECHER:
Insekten werden von den unzähligen Tropfen betört und gehen dem Sonnentau buchstäblich auf den Leim. Die Blätter rollen sich anschließend um die Beute und verdauen sie mit einem Sekret. Darwin untersuchte, was passiert, wenn er etwa kleine Fleischstückchen, aber auch Papier, Holzkohle oder verschiedene Salze auf die klebrigen Tropfen legt. Wann produziert die Pflanze Verdauungssekret? Wann reagiert sie mit einer Bewegung der Blätter?
Musik 5
"Massive Particles" - Komponist und Ausführender: Thomas Strønen - Album: Pohlitz - 0'11
ZITATOR (D