„Ich habe euch lieb!“
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1. AHA-Erlebnisse im Glauben
Hatten Sie schon einmal ein sogenanntes AHA-Erlebnis?
Für mich war es ein solches, als ich zum ersten Mal in meinem Leben die Verse aus Maleachi 1,1–5 gelesen habe. „Gott liebt dich!“ Das hatte ich in unzähligen Gottesdiensten, Andachten oder Bibelkreisen schon so oft gehört. Diese so wichtige Kernbotschaft des christlichen Glaubens war quasi allgegenwärtig. Ja, und so viele Geschichten der Bibel – vor allem die über Jesus Christus – zeigen ja, wie sehr Gott uns Menschen liebt. Zweifellos!
Aber doch vermisste ich eines: eine Stelle, in der Gott mir das auch selbst sagt. Einfach so: „Ich habe dich lieb.“
Um meine Enttäuschung zu beschreiben, stelle ich gerne folgenden Vergleich an: Überlegen Sie einmal, Ihr Ehemann oder Ihre Ehefrau würde nie zu Ihnen sagen: „Ich habe dich lieb.“ Er oder sie würde es Ihnen immer nur über Freunde ausrichten lassen. Das wäre zwar nett – aber doch irgendwie seltsam. Ich möchte, dass es meine Frau mir persönlich sagt. Verstehen Sie, was ich meine?
2. Die Suche nach Gottes persönlicher Zusage
Und so las ich die Bibel, immer auf der Suche nach dieser Zusicherung Gottes: „Ich habe dich lieb.“ Das Neue Testament hatte ich schon erfolglos durchgelesen. Beim Alten Testament hatte ich fast alle Bücher hinter mir. Mir war sogar Jeremia 31,3 aufgefallen, wo Gott sagt: „Ich habe dich je und je geliebt.“ Aber das genügte mir nicht. Es war eine Aussage im Perfekt, gerichtet an das Volk Israel – also in der Vergangenheit. Doch ich suchte nach einer gegenwärtigen Zusicherung.
Dann war ich schließlich beim letzten Buch des Alten Testaments angekommen. Nur noch drei Kapitel des Propheten Maleachi lagen vor mir. Und gleich am Anfang stand es dann plötzlich: „Ich habe euch lieb“, spricht der HERR.
Für mich war das einer der größten AHA-Momente meines Bibellesens. Hier stand es schwarz auf weiß. Gott sagt: „Ich habe dich lieb.“ Also „euch“! Natürlich meint er nicht nur mich, sondern alle Menschen – und doch traf mich diese Aussage damals ganz persönlich.
3. Theologische Einordnung und Erwählung
Heute, ungefähr 35 Jahre später – nach einem Theologiestudium und über 25 Jahren Erfahrung als Pfarrer – lese ich diese Bibelstelle natürlich auch mit anderen Augen. Ich weiß als Theologe, dass Gott hier in erster Linie die Kinder Jakobs anspricht. Es ist eine Bestätigung an Israel: Sie sind Gottes Volk, erwählt unter allen anderen Völkern. Die Liebe, von der Gott hier spricht, ist die Liebe seiner Erwählung, seine Entscheidung für Israel.
Der „Hass“ gegenüber Esau, von dem ebenfalls die Rede ist, meint keinen emotionalen Hass, wie wir ihn verstehen würden, sondern bezeichnet, dass Esau und seine Nachkommen im Gegensatz zu Israel nicht erwählt wurden.
Das muss man als verantwortlicher Bibelleser im Blick behalten. Gottes Zusicherung „Ich habe euch lieb“ richtet sich vor allem an sein Volk Israel. Ein Versprechen, das bis heute gilt – auch wenn Israel in seiner Geschichte oft auf Abwege geraten ist und der Erwählung Gottes nicht gerecht wurde. Doch die Zusage bleibt bestehen: „Ich habe euch lieb. Ich habe euch erwählt.“
4. Die Erfüllung der Verheißung und das Kommen des Herrn
Kann ich dann aber noch sagen, dass Gott auch mich persönlich meint? Oder gilt dies ausschließlich für Israel?
Gerade weil Gott zuerst Israel seine Liebe zusagt, gilt dieser Zuspruch – aus christlicher Sicht – durch den Sohn Gottes auch uns. Die Erwählung Israels findet ihre Erfüllung darin, dass aus Israel der kommende Herr geboren wird. Eine zentrale Botschaft Maleachis lautet: „Siehe, ich will meinen Boten senden, der vor mir her den Weg bereiten soll. Und bald wird zu seinem Tempel der Herr kommen, den ihr sucht.“ (Maleachi 3,1)
Und fast ganz am Ende des Buches Maleachi lese ich Gottes Worte: „Siehe, ich will euch senden den Propheten Elia.“
Dann wird es still. 400 Jahre Schweigen in der biblischen Überlieferung.
Als kaum noch jemand hoffte, dass Gottes Geschichte mit Israel weitergeht, geschah es: Die Worte Maleachis erfüllten sich. In Judäa lebten zwei fromme Menschen – Zacharias und Elisabeth. Elisabeth war unfruchtbar und bereits alt. Das erinnert sehr an Abraham und Sara. Und wie damals beginnt auch hier etwas Neues. Ein Engel erscheint Zacharias im Tempel und kündigt die Geburt Johannes’ an: Er wird das Volk Israel zum Herrn, ihrem Gott, bekehren und „im Geist und in der Kraft Elias“ vor ihm hergehen. So wird Johannes zum neuen Elia, dem Vorboten des Herrn.
Nach 400 Jahren geht die Prophetie Maleachis in Erfüllung. Jetzt wird sichtbar, wie Gott alle Menschen segnet. Seine Liebe wird in der Geburt Jesu eine neue, greifbare Wirklichkeit. Gott wird Mensch. Seine Liebe wird in Jesus Christus erfahrbar.
Und so schließt sich für mich der Kreis:
„Ich habe euch lieb.“ – Gott meint es ernst. Seinen Worten folgen Taten. Und er meint damit auch mich: „Ich habe dich lieb.“
Was für ein AHA-Erlebnis!
Kennen Sie das Buch Maleachi? Hier eine kurze Einführung:
Autor: Pfarrer Jörg Gerhard Muhm
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