Bileam soll Israel verfluchen, aber er muss es segnen (3)
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Ein heidnischer Priester, der als militärischer Berater von einem König aus dem Ausland eingekauft wird und dafür seinen Opferkult zelebriert, sich aber dabei in die Einsamkeit begibt, um mit dem fremden Gott zu sprechen, dessen Volk er vernichten soll – dieser Text gibt uns viele Rätsel auf. Und um die zu lösen, gehen Sie mit mir einmal den umgekehrten Weg, nicht vom Bibeltext in unsere heutige Zeit, sondern von unserer heutigen Zeit zurück zum Bibeltext, um zu sehen, was er heute uns persönlich zu sagen hat.
Es ist ein internationales und interreligiöses Phänomen bis in unsere Tage hinein, dass man politische Ziele und militärische Macht stützt, indem man Vertreter der Religion einkauft, um Soldaten oder Wähler zu motivieren und die Chance auf einen Sieg zu erhöhen. So habe ich es schon vor genau 40 Jahren bei Politoffizieren in der Nationalen Volksarmee der DDR erlebt, die uns motiviert haben, gegen den Westen die wissenschaftlich bewiesene Wahrheit des Sozialismus zu verteidigen, die sich vier Jahre später als ein Irrglaube erwiesen hat. Und so erleben wir es auch, wie Kirchenvertreter in Wahlkämpfen instrumentalisiert werden, um Machthaber zu stützen.
So war es auch damals. Der König der Moabiter ruft einen berühmten Gottesmann aus Syrien zur Hilfe gegen das Volk Israel. Er war dafür bekannt, durch Fluch oder Segen Schlachten zu beeinflussen. Balak bezahlt ihn, um Israel zu verfluchen und so den Sieg zu sichern. Wir stehen hier vor der Frage, wie der Glaube nicht nur für militärische und politische, sondern auch für persönliche Ziele gebraucht und missbraucht werden kann.
Im Neuen Testament finden wir Bileam als Beispiel für Menschen wieder, die um schändlichen Gewinns willen für eine religiöse Partei die Wahrheit der Bibel verdrehen. Davor warnt Petrus in seinem 2. Brief, Kapitel 2, Vers 15 und 16 und der Herrenbruder Judas in seinem Brief Vers 11. Soweit eine erste Beobachtung aus dem Text, auf die ich nochmal zurückkommen werde.
Eine Frau aus meiner Gemeinde hat ein Buch darüber geschrieben, wie sie zum Glauben gekommen ist. Nachdem vieles in ihrem Leben nicht glücklich verlaufen ist und sie innerlich zerrissen war, ging sie zu dem Pfarrer, der sie konfirmiert hatte und sprach mit ihm darüber. Ihr war bewusst, dass sie auf der Suche ist und Gott ihr Leben nicht gutheißen kann. Wenige Monate später hatte sie ein Erlebnis an der Ostsee: „Ausgebreitet auf meinem weißen Strandtuch lag ich vielleicht zwei Minuten, vielleicht fünf und schaute hinter den extrem dunklen Sonnengläsern in die Sonne, als ich plötzlich heftig zu weinen anfing. Ohne einen erkennbaren Grund liefen mir unaufhörlich die Tränen, sintflutartig und gleichzeitig durchströmte mich ein unbeschreibliches, nie zuvor erfahrenes, unsagbar tiefes Gefühl, eine Mischung aus purer Glückseligkeit, unendlicher Liebe und großer Dankbarkeit. Wärme durchflutete meinen ganzen Körper. Es war absolut magisch, göttlich. Ich fühlte mich im wahrsten Sinne des Wortes wie „nicht von dieser Welt“.“ Wochen später hörte sie am Samstagabend in ihrem Wohnzimmer auf einmal eine Stimme: „Gehe morgen in den Gottesdienst!“. Als die Stimme ein zweites Mal kam, sagte sie „Ja, ich gehe“. Und dann hörte sie die Stimme noch ein drittes und viertes Mal. Am nächsten Tag ging sie 28 Jahre nach ihrer Konfirmation zum ersten Mal wieder in einen Gottesdienst. Dort wurde von Buße und Umkehr gepredigt und es begann für sie ein Aufarbeitungsprozess ihres ganzen früheren Lebens mit Generalbeichte, radikalem Wandel ihres bisherigen Lebens und dazu gehörte auch das Finden ihres Platzes in der Kirche.
Ein ganz persönliches Gotteserlebnis führt zu einem Leben im Glauben und in die Gemeinschaft der Gläubigen hinein. Öffentlicher Kult und persönliche Gotteserfahrung gehen Hand in Hand. So wie bei Bileam, der sieben Altäre errichten ließ und den damals üblichen Opferkult zelebrierte, aber während dessen ging er auf einen einsamen Hügel und hörte die Stimme Gottes für sich persönlich. Gotteserfahrung und kirchliche Tradition bilden eine Einheit. Der Gottesdienst schafft den Rahmen für Gottesbegegnungen und wiederum veranlassen Gottesbegegnungen, dass Menschen sich in Kirchen versammeln. Soweit eine zweite Beobachtung aus dem Text, auf die ich nochmal zurückkommen werde.
Letztes Jahr berichtete Yassir Eric, der in Schwaben lebende anglikanische Bischof für Muslime in aller Welt, die sich haben taufen lassen, davon, dass ein Scheich aus Marokko ihn anrief, er müsse kommen und seinen Stamm taufen, denn in einer Versammlung im Beduinenzelt sei ihnen Christus erschienen und sie wollten jetzt als Christen Jesus nachfolgen. Von ähnlichen Christuserscheinungen hört man aus dem Iran, meist persönliche Jesusoffenbarungen im Traum. Dass Yassir Eric selbst Christ ist, der ein glühender Anhänger der Muslimbruderschaft im Sudan war, hat er seinem Onkel zu verdanken, der als führender Imam Kirchen bespitzeln sollte, um Christen vor Gericht zu bringen. Beim Besuch dieser Gottesdienste ist ihm Jesus begegnet.
Ähnlich verhält es sich mit Bileam, dem heidnischen Priester, der seinen Auftrag ernst nimmt und sich zunächst erkundet, was es mit diesem Gott der Juden auf sich hat. Nicht irgendein Gott allgemein, hebräisch Elohim bzw. auf Arabisch Allah, hat zu ihm gesprochen, sondern Jahwe, der Gott Israels persönlich. Und der hat es nicht zugelassen, dass Bileam Israel verflucht. Solche Berichte sind im Alten Testament sehr selten. Bis zum Pfingstfest beschränkt sich Gott darauf, sich durch sein Volk Israel der Welt zu offenbaren. Aber an einzelnen Stellen blitzt auch hier schon auf, dass Gott der Schöpfer und Erlöser der ganzen Welt ist und sich ihr offenbart.
Aus unseren heutigen Erfahrungen heraus finde ich mich durchaus in diesem Text wieder. Unter anderem an drei Stellen wird das deutlich:
- Gegen alle Versuche, Glaube und Religion für politische Zwecke, Wahlkampf oder auch menschliche Vorlieben, vielleicht auch durchaus geistlich-erscheinende Interessen zu missbrauchen, muss Gemeinde Jesu aufstehen und sich abgrenzen. „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ – das gilt es als mündiger Christ gegenüber Machtansprüchen zu behaupten, sei es von Seiten der Gesellschaft oder auch innerhalb von christlichen Gemeinden.
- Wir dürfen in der Kirche und Gemeinde nicht Amt und Geist gegeneinander ausspielen. Persönliche Gotteserlebnisse auf einem einsamen Hügel wie bei Bileam oder am Ostseestrand heute bilden eine Einheit mit traditionellem Opferkult damals oder Gottesdienst in der Kirche heute. Geist und gewachsene Tradition oder Gemeindestrukturen bilden eine Einheit, um im Glauben wachsen zu können.
- Und das Spannendste ist: Gott lebt und als der einzige Gott und Schöpfer der Welt erweist er sich auch in anderen Kulturen und Religionskreisen als der lebendige und wahre Gott. Das spüren Menschen. Damit dürfen wir rechnen und dafür können wir beten.
Autor: Pfarrer Dr. Christoph Rymatzki
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