Lindy Hop - Der gleichberechtigte Swing-Tanz
Description
Es ist ein Tanz, der lässige Lebensfreude versprüht: Doch Lindy Hop macht nicht nur Spaß. Entstanden aus improvisierter Musik und Bewegung schwarzer Sklaven, transportiert er bis heute auch Werte der afroamerikanischen Emanzipation - wie Freiheit, Minderheiten-Rechte oder die Gleichheit der Geschlechter. Von Lukas Grasberger
Credits:
Autor: Lukas Grasberger
Regie: Martin Trauner
Sprecher/in: Thomas Birnstiel, Rahel Comtesse, Florian Schwarz
Redaktion: Iska Schreglmann
Im Interview:
- Markus Mogg, Sozialhistoriker und Mitgründer des Grazer Swingtanz-Vereins „Lindy Cats“
- Kendra Unruh, PhD in American Studies zur Geschichte des Lindy Hop und Lindy-Hop Tänzerin
- Georg, Lindy-Hop-Tänzer aus Miesbach
- Anita, Lindy-Hop-Tänzerin aus Seeon
- Joseph Sewell, Profi-Tänzer und Tanz-Trainer bei Jiveswing.com, Betreiber von „Swingopedia“
Linktipps:
Frankie Manning Foundation: Seite mit Infos zur Geschichte des Lindy Hop und seiner bekanntesten Tänzer
https://www.frankiemanningfoundation.org/
Swingopedia: Enzyklopädie der Swingtänze auf Facebook
https://www.facebook.com/groups/271795970605733
Authenticjazzdance: Guter Blog mit umfangreichen Infos zu Lindy Hop und seiner Geschichte
https://authenticjazzdance.wordpress.com/
Vintage Club: Seite von Tanzschule und Veranstaltungslokal der Münchner Swingtanz-Pioniere Marcus Koch und Bärbl Kaufer
https://www.worldofswing.de/
Hör-Tipps:
Radiowissen · Der Mensch ist ein Tänzer - Vom Glück der Bewegung · Podcast in der ARD Audiothek
Radiowissen finden Sie auch in der ARD Audiothek:
ARD Audiothek | Radiowissen
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
SPRECHER
Die Stimmung kocht an diesem Samstagabend in der modernen Mehrzweckhalle von Landsberg am Lech. Männer und Frauen jeden Alters tanzen, schwitzen, lachen. Aber nicht etwa zu zeitgemäßem DJ-Sound, sondern zur Musik der 30er-Jahre. Gerade hat die Band „Tain´t what you do“ angestimmt:
Atmo nochmal kurz hoch
Schon die ersten Töne dieses Songs sind ein Signal für jeden Swing-Fan, die Tanzfläche zu stürmen, um dort gemeinsam den Shim Sham, DIE ikonische Choreographie des Lindy Hop, aufzuführen.
ZSP 1 Manning
A one, a two, you know a what to do
SPRECHER
Es spricht: Die Legende des Lindy Hop. Dass heute jeder Lindy-Hop-Tänzer in Landsberg am Lech wie weltweit weiß, was zu tun ist, wenn der Shim-Sham-Song erklingt: Das ist maßgeblich das Verdienst eines Mannes:
O-Ton 1 Mogg
Und damit kommen wir zur Biografie von Frankie Manning, einem der wichtigsten Träger und Innovatoren des Lindy Hop.
SPRECHER
...sagt Markus Mogg. Er ist Mitgründer des Grazer Vereins „The Lindy Cats“ - und forscht als Historiker zur Geschichte des Lindy Hop und seiner Protagonisten.
O-Ton 2 Mogg
Weil Frankie Manning war, dadurch dass er 1914 geboren war - Mitte der 20-er - zu jung, um einer der Erfinder des Lindy Hop zu sein. Da war er noch ein Kind. Aber als Teen hat er schon den Lindy Hop dann gesehen bei anderen Leuten und hat festgestellt: das will ich auch können!
SPRECHER
Auch wenn es dieser charismatische, 1914 in Jacksonville, Florida, geborene Afro-.Amerikaner war, der den Lindy Hop maßgeblich mitentwickeln und über die Jahrzehnte am Leben erhalten sollte: Frankie Manning war – Ende der 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts - nur einer der zahlreichen Väter und Mütter des Tanzes.
MUSIK: Te Roy Williams and His Orchestra: Lindbergh Hop (Aufnahme 1927) (1:12 ) – Label: Harmony
darüber
ZITATORIN
Das kleinste Paar auf dem Dancefloor, Mattie Purnell und George Snowden, gewannen einen 15-Dollar-Goldpreis für die kunstfertigste Performance eines neuen Tanzes, genannt der „Lindbergh Hop“.
SPRECHER
...schrieb 1928 eine Zeitung über den Auftritt des Paares Mattie Purnell und George Snowden – auch bekannt als Shorty George - bei einem Tanz-Wettbewerb im New Yorker „Manhattan Casino“. Es war eine Zeit, in der der Pilot Charles Lindbergh in den USA äußerst populär war. Er hatte es im Jahr zuvor als erster geschafft, allein und ohne Zwischenstopp über den Atlantik nach Europa zu fliegen. Lindbergh-Fans benannten Geschäfte, Kochrezepte, und auch Songs nach ihm. Ob der Name des Tanzes „Lindy Hop“ wirklich letztlich auf Charles „Lindy“ Lindbergh zurückzuführen ist, der den „Hop“, also den Sprung über den Atlantik schaffte – darüber streiten sich bis heute die Geister. Markus Mogg:
O-Ton 3 Mogg
„Die Namenslegende, dass er nach Charles Lindbergh benannt ist, wird teilweise von Forschenden angezweifelt. (…) Wobei es auch eine alternative Erklärung gibt, die ich sehr interessant finde. Lindy heißt im afroamerikanischen Slang oft „Girl“ und „Hop“ Dance. Und nachdem die Leute, die die Damenrolle - wir sagen im Lindy Hop dazu Followers, - tanzen, schon von Anfang an eine sehr starke Rolle gespielt haben, liegt es durchaus nahe, dass es einfach ein „Girls Hop“ gewesen sein könnte.
SPRECHER
Unzweifelhaft ist, dass die Ursprünge des „Lindy Hop“ buchstäblich auf der Straße liegen: In den Vierteln der Schwarzen, die von überall aus den USA nach New York zogen. Deren Kinder tanzten in den Gassen und Hinterhöfen von Harlem, um sich bei Passanten ein paar Münzen zu verdienen. Die Älteren trainierten dort, um in einem der neu entstandenen Clubs eine gute Figur zu machen. Allen gemeinsam war das afroamerikanische Erbe: Tanzfiguren und Bewegungsroutinen, die noch aus der Sklavenzeit stammten, die bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts andauerte.
O-Ton 4 Mogg
Die Sklaven begannen dann auch, weil einige von ihnen in den Haushalten arbeiten, die sogenannten Court Dances, also diese höfischen Tänze die die vornehmen Südstaatengesellschaften tanzten, die sie selber aus Europa versucht haben zu übernehmen, um sich selber quasi zum neuen Adel der neuen Welt zu machen, zu parodieren. Und daraus entstand der Cakewalk. Der Cakewalk war im Endeffekt eine Parodie dieser gestellten, ziemlich komplizierten ursprünglich höfischen Tänze und führte eben dazu, dass die Afroamerikanerinnen sich damit auch über ihre Herren lustig machen konnten, ohne dass die das erkannten.
SPRECHER
Als weiterer Vorläufer, eine Schrittkombination, die ein wichtiges Element des Lindy Hop werden sollte, gilt der „Breakaway“
O-Ton 5 Unruh Overvoice Teil 1
Dabei bewegen sich die Tanzpartner auf die Schläge „fünf“ und „sechs“ voneinander weg. (…) Das öffnete auch den Raum für Improvisationen – womit sich der Breakaway dann auch von „weißen“ Tänzen unterschied.
SPRECHER
...sagt die texanische Forscherin Kendra Unruh (AUSSPRACHEHINWEIS: „An-rah“), die zur Geschichte des Lindy Hop promoviert hat.
O-Ton 5 Unruh Overvoice Teil 2
Ein anderes Element dieses Tanzens, das auch den Lindy Hop prägen sollte, ist der Bounce. Bouncing bedeutet, dass man quasi rhythmisch in den Boden hinein federt. Als Tänzerin stelle mir gerne vor, dass meine Kniegelenke dabei so etwas wie Stoßdämpfer an einem Auto sind. Das ist ein Erbe der afrikanischen Tänze: Lindy Hop ist mehr „erdverbunden“ ist als europäische Tänze, bei denen die Haltung sehr nach oben, gen Himmel, gerichtet ist. Der Oberkörper ist beim Lindy Hop nicht so starr, sondern entspannt.
SPRECHER
Die Swing-Tänzer und -Historiker Karen Hubbard und Terry Monaghan sahen in der Art dieses Tanzens gar eine „umfassende und rhythmisch aufgeladenen Kritik an der europäischen Paartanztradition“. Der Lindy Hop, schrieben sie, sei Ausdruck einer „neuen Ästhetik kultureller Gleichberechtigung“.
Musik „Stompin´at the Savoy“ – Z9458811#312 (0:50 )
1926 hatte im New York der „Savoy“, genauer, der „Savoy Ballroom“ eröffnet – mitten im Stadtteil Harlem. Harlem erlebte zu dieser Zeit eine malerische, literarische, kulturelle Blüte. Der Manager des „Savoy“, Charles Buchanan, wollte, so seine Worte, einen luxuriösen Ballsaal schaffen „um den vielen Tausenden Platz zu bieten, die in einer Atmosphäre geschmackvoller Kultiviertheit tanzen wollten – statt in kleinen, stickigen Säle