DiscoverRadiowissenRomance forever? Warum Liebesromane boomen
Romance forever? Warum Liebesromane boomen

Romance forever? Warum Liebesromane boomen

Update: 2025-09-081
Share

Description

Junge Frauen können ein Lied von den Tücken des Onlinedatings singen. Existieren kluge, einfühlsame und bindungsfreudige Männer überhaupt in der Realität? In der angesagten Literatur-Gattung "Romance" gibt es sie jedenfalls zuhauf. Happy end inclusive. Was den Hype um die Liebesromane vielleicht ein bisschen erklärt. Autorin: Justina Schreiber


Credits
Autor/in dieser Folge: Justina Schreiber
Regie: Christiane Klenz
Es sprachen: Caroline Ebner
Technik: Christine Frey
Redaktion: Susanne Poelchau


Im Interview:
Nicola Bardola, Schriftsteller und Journalist („Börsenblatt des deutschen Buchhandels“);
Anne Rudolph, Lektorin & Programmleitung Kyss beim Rowohlt Verlag


Literaturtipp:


Nicola Bardola, Bestseller mit Biss. Liebe Freundschaft und Vampire. Alles über die Autorin Stephenie Meyer, Heyne, München 2009 – eine interessante und nützliche Analyse des Twilight-Phänomens.



Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.

RadioWissen finden Sie auch in der ARD Audiothek:
ARD Audiothek | RadioWissen
JETZT ENTDECKEN


Das vollständige Manuskript gibt es HIER.


Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:



MUSIK 1 (Taylor Swift: Love Story 0‘55)


ATMO Menschenmenge


SPRECHERIN:


Der Ansturm ist groß. Sogenannte Lit.Love-Events liegen voll im Trend. Es geht um Liebesliteratur, um moderne Liebesromane. 16- bis 25-jährige Schülerinnen und Studentinnen stehen hier Schlange, um sich Bücher signieren zu lassen. 


(MUSIK kurz freistehend)


Sie besuchen Diskussionsrunden, um ihren Lieblingsautorinnen zuzuhören, die über Selbstfindung sprechen oder über die Schwierigkeit, zeitgemäße erotische Szenen zu verfassen. Junge Frauen interessieren sich also wieder für Bücher, genauer gesagt: für Liebesromane und die Events drumherum. Die heranwachsenden Leserinnen werden von den Verlagen und Buchhandlungen förmlich umworben, sagt der Buchmarkt-Experte Nicola Bardola.


O-TON 01: (Bardola)


„Die hat man als Zielgruppe entdeckt. Man hat festgestellt, dass da ein großes Bedürfnis ist. In der Tat: in dem Alter verabschiedet man sich von den Jugendbüchern und nähert sich der Belletristik, den Erwachsenenbüchern, aber zielgerichtet dafür gab es wenig Literatur.“  


MUSIK 2 (Romantic Homicide 0‘46)


SPRECHERIN:


Bis vor kurzem. Mittlerweile finden die sogenannten „New Adults“, also die „neuen Erwachsenen“, Lesestoff zu Genüge. Die begehrten Titel lauten „Game on – Mein Herz will dich“, „Icebreaker“, „Blue – Wo immer du mich findest“, „Dear Love, I hate you“ oder ein bisschen komplizierter „Love, theoretically“. Oder schlicht: „Herz aus Schatten“ oder „Zeit des Sturms“. Weil auch die Verpackung der dicken rosa- bis lila-pastellfarbenen Paperback-Bücher ihren Geschmack trifft, gibt es für die jungen Kundinnen kein Halten mehr. Sie kaufen sich Bücher, viele Bücher.


O-TON 02: (Bardola)


„Es sind wunderschöne Umschläge, sehr aufwendig produziert, oft noch mit Farbschnitt, mit digitalem Farbschnitt, mit fluoreszierenden Beschichtungen auf dem Umschlag. Und viele junge Frauen kaufen sich diese Bücher ein zweites Mal: eins für die Lektüre und oder um es der Freundin auszuleihen und eins fürs Bücherregal.“


SPRECHERIN:


Ganz klar, die Zielgruppe dieser Schmöker ist weiblich. Junge Männer, sofern sie überhaupt Romane lesen, greifen lieber zu Krimis, Thrillern oder Fantasy-Literatur. Aber eigentlich ist ja die Liebe das klassische Thema von Poesie und literarischer Fiktion. Zahllose Epen, Songs und Dramen handeln vom Sehnen und Nicht-zueinander-finden, von Trennungen und vielversprechenden Küssen. So wie auch die rosa-lila verpackten Liebesromane des 21. Jahrhunderts. Wobei diese zu einem modernen Genre zählen, das „Romance“ genannt wird. Anne Rudolph ist die Programmleiterin der Romance-Reihe „Kyss“ (=Kiss), die der Hamburger Rowohlt Verlag seit 2018 herausgibt. Sie erklärt die Kriterien des neuen Trendgenres:


O-TON 03: (Anne Rudolph) 


„Jede Romance ist ein Liebesroman, aber nicht jeder Liebesroman ist auch eine Romance. Bei Romance haben wir ein relativ klar abgegrenztes Genre, das drei Hauptmerkmale hat: einmal muss die Liebesgeschichte natürlich der Schwerpunkt der Handlung sein. Es geht um zwei Personen hauptsächlich, die dann am Ende zusammenkommen, und das ist das allerwichtigste Merkmal: Am Ende muss ein Happy End stehen. Wenn es eine Liebesgeschichte ist, die aber traurig ausgeht, dann ist das keine Romance, immer noch ein Liebesroman, aber keine Romance.“


MUSIK 3 (Sleep Well 0‘57)


SPRECHERIN:


Janes Stimme vibriert, als sie zum ersten Mal die Haut des anfangs ziemlich verklemmten Politikstudenten Alex berührt. Der junge Mann hat ein Problem. Als Jane den Hintergrund erfährt, bricht ihr – laut Klappentext - das Herz. „Wer fängt dich auf, wenn du fällst?“ fragt ein anderes Buch. Nun, es ist weder der 1 Meter 90 große Liam mit dem unfassbar süßen Gesichtsausdruck noch der ebenso süße, beim Petting unkontrolliert ejakulierende Ian. Es ist wohl eher die Romance selbst, die die junge weibliche Leserschaft auffängt und festhält, um nicht zu sagen: fesselt. 


O-TON 04: (Anne Rudolph)


„Romance-Leserinnen suchen nach Unterhaltung, sie suchen nach Entspannung, und sie suchen auch nach Weltflucht, nach Büchern, die sie wirklich aus ihrem Alltag wegbringen, in die sie sich komplett emotional fallen lassen können und die die Garantie bieten, dass sie am Ende dieses Falls weich aufkommen, nämlich diese Happy End-Garantie am Ende dieser Bücher, also die Lese-Motivation ist ganz klar: Unterhaltung, Entspannung, Weltflucht.“


SPRECHERIN:


In der akademischen Welt, unter Bildungsbürgern spricht man gern von Populär - oder Trivial-Literatur, wenn es um Romane mit vorgezeichneten Schemata geht, die den Massengeschmack treffen. In den Begrifflichkeiten schwingt Abwertung mit, meint Anne Rudolph vom Rowohlt-Verlag:


O-TON 05: (Rudolph)


„Im Kontext von Romance hat das häufig auch noch so einen misogynen Hintergrund. Weil ein Genre, dass von Frauen und nur für Frauen geschrieben wird, fast nur für Frauen geschrieben wird, hat das natürlich immer eigentlich dieses Thema: ach Gott, es geht um Gefühle, und dann geht es auch noch um Sex, das muss ich ja trivial sein. Inwiefern sind Gefühle in irgendeiner Form trivial? Gerade Liebe betrifft uns alle.“


MUSIK 4 (Here With Me 1’12)


ATMO Video (bookstagram)


SPRECHERIN:


Die unzähligen jungen Frauen, die es sich heutzutage mit einer Romance in ihrem Zimmer gemütlich machen, orientieren sich nicht an literarischen Debatten. Sie haben ihre eigenen Instanzen, nämlich die Booktokkerinnen und Bookstagramerinnen, die ihre Leseempfehlungen auf den sozialen Plattformen Instagram oder TikTok posten und eine neue Romance nach der anderen zum ultimativen „Must-Have“ erklären. Das Buch, das vor 20 Jahren für tot erklärt wurde, lebt also munter weiter. Und zwar nicht nur als E-Book. Den Autor und Journalisten Nicola Bardola stimmt der aktuelle Hype deshalb in erster Linie optimistisch.


O-TON 06: (Nicola Bardola)


„Es ist eine Art Lifestyle, also das Buch ist wieder wichtig geworden im Leben junger Frauen. Man findet auf Instagram Filmchen, wie die jungen Frauen in Buchhandlungen gehen und sich beim Stöbern im Regal mit Romance-Büchern filmen und das auch kommentieren. Und wie sie dann auch mit Stapeln von diesen Romance-Titeln die Buchhandlung verlassen.“


SPRECHERIN:


Nicola Bardola beobachtet für das „Börsenblatt des deutschen Buchhandels“ seit Jahrzehnten Trends rund ums Bücher lesen. Der Boom des aus den USA stammende Romance-Genre kam ein bisschen überraschend. Nicht nur Übersetzungen aus dem Englischen, sondern auch Bücher von jungen deutschsprachigen Autorinnen finden hier jetzt reißenden Absatz: 


O-TON 07: (Bardola)


„Das war eigentlich unvorhersehbar und sprengt die Vorstellungskraft aller Buchhändlerinnen, aller Verlegerinnen, weil die Umsätze enorm hoch sind, weil extrem viel gelesen wird, sehr viele Bücher verkauft werden, sehr viele, vor allem Autorinnen, weibliche, Bücher schreiben. Das hat mit vielen Faktoren zu tun, beispielsweise auch mit der Fan-Fiction.“


MUSIK 5 (Carter Burwell: Don’t Choose That 0‘59) 


SPRECHERIN:


Schon vor der Erfindung des Internets schrieben animierte Zuschauer und Leserinnen die Abenteuer ihrer Helden aus Filmen wie „Star Trek“ oder Romanen von Arthur Conan Doyle oder Jane Austen fort. Seit es digitale Plattformen für Selbstveröffentlichungen gibt, bekommt das Phänomen schier unüberschaubare Dimensionen. Der Startschuss für Fan-Fiction im Romance-Bereich fiel Mitte der 2000er Jahre, als die Amerikanerin Stephenie Meyer ihre vier „Twilight“-Romane rund um die Highschool-Schülerin Bella Swan und den Vampir Edward Cullen auf den Buchmarkt brachte. 


O-TON 08: (Bardola)


„Die sind bei uns erschienen unter den Titeln „Biss zum Morgengrauen, Biss zum Abendrot“, Biss geschrieben jeweils mit BIS und dann in Klammern noch ein S dazu, das ist eine Vampirsaga, und da wurde ich zum Twilight-Boy oder sogar zum Twilight-Daddy. Meine Tochter war in dem Lesealter damals, und ich habe da mitgelesen und habe dann eine Monografie geschrieben über das Twilight-Phänomen.“


MUSIK 6 (Danny Elfman: Then Don‘t 0‘48) 


SPRECHERIN:


Zu dem eben auch eine ausufernde Fanfiction gehörte. Neben vielen anderen ließ sich auch die britische Autorin

Comments 
00:00
00:00
x

0.5x

0.8x

1.0x

1.25x

1.5x

2.0x

3.0x

Sleep Timer

Off

End of Episode

5 Minutes

10 Minutes

15 Minutes

30 Minutes

45 Minutes

60 Minutes

120 Minutes

Romance forever? Warum Liebesromane boomen

Romance forever? Warum Liebesromane boomen

Justina Schreiber